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Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)

Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)

Titel: Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Vogltanz
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erblühen lassen könnte. Das war ein Irrtum gewesen. Nun, da die Sonne
der neuen Welt in unserem Rücken am Firmament emporkletterte, war alles vergessen;
es gab nur noch uns beide und unsere ungetrübte Liebe füreinander.
    »Ist
es sehr schwer für dich, keine Magie mehr in dir zu tragen?«, erklang Kiros
Stimme an meinem Ohr.
    Ich
berührte sein Haar, das im Licht der Morgensonne beinahe golden schimmerte, und
deutete ein Nicken an. Wie Hansen gesagt hatte, war nach dem Ritual jeder Funke übernatürlicher Energie, der jemals in meiner Seele
geglommen hatte, selbst jene geliehene Kraft, die es mir ermöglicht hatte, mich
in eine Krähe zu verwandeln, erloschen. Das lodernde Feuer in mir war auf ewig aufgezehrt,
vom Sand des Schicksals erstickt, und es würde niemals wieder angefacht werden
können. Damit war ein wichtiger Teil von mir unwiderruflich gestorben.
    Aber
wenn das der Preis war, um die dunklen Schatten in meiner Seele zu vertreiben,
war ich gerne bereit, ihn zu zahlen.
    »Ich
fühle mich … unvollkommen«, antwortete ich ehrlich.
    »Dann
will ich derjenige sein, der diese Lücke füllt«, erwiderte Kiro und wanderte
mit seinen Lippen behutsam meinen Nacken hinauf.
    Ich
schloss lächelnd die Augen, genoss seine zärtliche Liebkosung. »Ich bin froh,
dass es so geendet hat. Diese Macht hat niemals wirklich mir gehört – sie war
Andreas´. Zum ersten Mal seit langem habe ich wieder das Gefühl, frei zu sein.«
    »Wie
war er so? Andreas, meine ich.«
    Ich
dachte einige Sekunden über diese Frage nach. »Er war wie du – zumindest, bevor
er das Buch fand. In meinen Augen war er ein guter Mensch, der eine schlechte
Entscheidung getroffen hatte.«
    Eine
Weile verharrten wir noch schweigend auf dem Hügel, uns in den Armen haltend
und die Nähe des jeweils anderen spürend. Als die Sonne hoch genug stand, um
uns mit ihren wärmenden Strahlen zu erreichen, tauten wir aus unserer
Erstarrung auf.
    »Wir
sollten uns auf den Weg machen«, sagte Kiro. »Dies ist ein Platz für Tote – wir
müssen uns unser eigenes neues Zuhause suchen.«
    Hand
in Hand gingen wir zu Taoyama und Maria hinüber, die ebenso wie wir die
aufgehende Sonne bewundert hatten. In der Nähe konnte ich Freudt ausmachen, und
Hansen hatte sich schon vor einiger Zeit von der Gruppe abgespalten. Doch wo
war ...?
    »Ist
Isis bei euch?«, fragte ich.
    Taoyama
hatte mir bereits berichtet, wie er den Kanarienvogel vor dem sicheren
Hungertod gerettet hatte. Ich war ihm sehr dankbar dafür, denn das Tier war ein
unversehrtes Stück eines Lebens, von dem sonst nichts als Trümmer geblieben
waren. Woher Isis tatsächlich stammte und was für ein Wesen sie war, würde für
uns wohl auf ewig ein Rätsel bleiben. Das störte mich nicht weiter, denn ich war
von dem unwiderstehlichen Drang geheilt, auf alle Fragen eine Antwort finden zu
müssen.
    Der
Japaner zuckte mit den Schultern. »Nach dem Ritual habe ich sie aus den Augen
verloren. Vielleicht hat sie sich im Sturm des Gefechts aus dem Staub gemacht.
Sie muss ebenso aufgewühlt von dem Geschehen gewesen sein wie wir.«
    Mein
Magen presste sich zu einem eisigen Knoten zusammen. »Meinst du wirklich?«
    »Natürlich
nicht«, mischte Kiro sich ein und drückte tröstend meine Hand. »Sie ist ganz
sicher bei Hansen. Auf ihn ist sie ganz versessen.«
    »Wir
sollten ihn suchen gehen«, meinte Taoyama und bedachte die aufgehende Sonne mit
einem stirnrunzelnden Blick. »Er ist schon verdammt lange weg.«
     
    Für eine halbe
Ewigkeit, wie es ihm schien, verharrte Hansen vor den frischen Gräbern von
Eloin und Andreas, die er fast ausschließlich mit seinen eigenen Händen
ausgehoben hatte. Obwohl es ihnen gelungen war, die drohende Gefahr abzuwenden,
fühlte er sich seltsam leer und ausgebrannt. Er wusste, dass er hätte jubeln müssen,
Gott oder dem Schicksal auf Knien danken, dass es ihnen gelungen war, als
Sieger aus diesem ungleichen Kampf hervorzugehen, aber in ihm war keine Freude.
Zu oft hatte er Menschen verloren, die ihm wichtig gewesen waren: Andreas,
Eloin und natürlich Miranda, deren Verlust ein klaffendes Loch in seine Seele
gerissen hatte, das sich niemals gänzlich schließen würde. Für lange Zeit hatte
er den Gedanken an sie und den damit verbundenen Schmerz verdrängt, erstickt
unter Alltagstrott, aber die Ereignisse der vergangenen Wochen hatten all das,
was begraben gewesen war, wieder hervorgezerrt.
    Hansen
seufzte schwer und ließ die Gräber von Andreas und Eloin hinter sich zurück.

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