Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)
Mein Gefühl sagt mir, dass wir
niemals am Polizeirevier ankommen werden, wenn wir uns jetzt von diesem Mann fortbringen
lassen.«
»Ja,
dieses Gefühl kenne ich«, gestand Kiro bitter.
Plötzlich
klopfte es hart an unsere Tür. »Braucht ihr noch lange?«, drang Freudts Stimme
zu uns herein.
»Wir
sind gleich so weit!«, rief Kiro zurück. »Los, machen wir schnell«, raunte er
mir zu.
Unsicher
erhob ich mich aus meinem Bett, wobei Kiro mich stützte, aus Angst, ich könnte
fallen. Tatsächlich fühlte ich mich schwächer, als ich gedacht hatte, und
schwankte merklich, als ich mich mit Kiro in Richtung des Fensters bewegte.
»Pssst«,
machte er und legte einen Finger an die Lippen, während er mit der anderen Hand
den Fensterriegel beiseite schob. Das Geräusch, das er dabei verursachte, klang
in meinen Ohren geradezu unverschämt laut.
»Seid
ihr da drinnen eingeschlafen?«, brach Freudts Stimme über uns herein, und ich
zuckte heftig zusammen.
»Laura
ist noch sehr schwach, sie braucht etwas mehr Zeit«, antwortete Kiro und
übertönte dabei mit seiner Stimme den Laut, mit dem er das Fenster aufstieß.
»Dann
hilf ihr! Sonst komme ich rein und übernehme das!«
»Wir
sind ja gleich so weit! Nur einen Augenblick!«
Hastig
bedeutete Kiro mir, auf den Fenstersims zu steigen. Ein wenig hilflos legte ich
die Unterarme darauf und versuchte schwach, mich hochzuziehen, doch natürlich
war es vergebens. Da ergriffen mich Kiros geschickte Hände unter den Achseln
und hoben mich mit überraschender Kraft hoch. Ich krallte mich im Fensterrahmen
fest, und für einen Moment schwindelte mir, als ich einen Blick in die Tiefe
warf. Wir mussten uns mindestens fünf Meter über dem Boden befinden.
»Nicht
nach unten sehen«, raunte Kiro an meinem Ohr. »Siehst du den Ast da? Wenn du
dich streckst, kannst du ihn bestimmt erreichen. Hab keine Angst, ich halte
dich fest. Los jetzt!«
Ich
schluckte schwer und suchte nach dem Ast, von dem Kiro gesprochen hatte. Dieser
schien mir jedoch in unerreichbarer Ferne, und als ich gehorsam eine Hand
danach ausstreckte, begann ich so sehr zu schwanken, dass ich beinahe kopfüber
in die Tiefe gefallen wäre. Sofort schlossen sich Kiros Hände um meine Hüften
und stabilisierten mich. Auf diese Weise gesichert, gelang es mir tatsächlich,
den Ast zu fassen zu kriegen.
»Du
musst dich festklammern. Schaffst du das?«
Ich
nickte, obwohl dies ganz und gar nicht meiner Überzeugung entsprach. Freudts
Stimme donnerte wieder in unserem Rücken los, doch das Rauschen des Blutes in
meinen Ohren war mittlerweile so laut, dass ich ihn nicht verstand. Auch Kiro
antwortete nicht mehr, und am Rande meines Bewusstseins wurde mir klar, dass
uns von nun an nur noch Sekunden blieben.
Entschlossen
krallten sich meine Hände in dem Holz fest, und wie von selbst stieß ich mich
mit den Beinen vom Fenstersims ab, um schon im nächsten Augenblick frei in der
Luft zu hängen. Ein erstickter Laut glitt mir über die Lippen, ich strampelte
voller Panik und spürte mit absoluter Sicherheit, dass meine Hände zu schwach
waren, mein Gewicht zu halten. Jeden Moment würde ich abrutschten und auf dem
Boden zerplatzen wie eine überreife Melone.
Aber
da war auch schon Kiro, der sich mit dem Geschick einer Katze vom Fenstersims
abgestoßen hatte und auf einem breiten Ast unmittelbar über mir gelandet war,
wobei er tatsächlich in der Hocke saß wie ein Vogel. Dass die gesamte Baumkrone
dabei gefährlich ins Wanken geriet, schien ihn nicht zu stören.
Plötzlich
rutschte mir mein Halt durch die Finger, und ich fiel unaufhaltsam in die
Tiefe.
Im
letzten Moment schloss sich Kiros Hand um meinen Arm und hielt mich fest. Der
Schmerz in meinem Schultergelenk war unerträglich, und ich konnte nur mit Mühe
einen Schrei unterdrücken.
»Es
reicht«, drang Freudts Stimme wie aus weiter Ferne an meine Ohren, und ich
hörte, wie die Tür unseres Zimmers mit einem heftigen Ruck aufgeschlagen wurde.
»Halt! Kommt sofort zurück! Habt ihr denn den Verstand verloren? Ihr bringt
euch noch um!«
Natürlich
hörte keiner von uns auf die zornigen Rufe des Polizisten, als dieser hastig
aufs Fenster zulief. Blitzschnell zog Kiro mich zu sich auf seinen haltenden
Ast, sodass ich die Hände freihatte, um mich im rauen Stamm der Eiche
festzukrallen, dann ließ er sich plötzlich fallen. Einen halben Meter tiefer
griff er erneut zu und fing seinen vermeintlichen Sturz ab.
»Schnell!«,
rief er mir zu.
Nicht
zu gehorchen war in
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