Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)
wahr, ich habe versagt.«
»Was
hast du nun vor?« Der Mann näherte sich ein Stück, und Freudt registrierte mit
einem Anflug von Unbehagen, dass eine seiner Hände in der tiefen Tasche seines
Mantels vergraben war. An der Ausbeulung im Stoff konnte Freudt erkennen, dass
er die Finger darin zur Faust geschlossen hatte.
»Ich
werde meinen Fehler korrigieren«, erwiderte Freudt mit beherrschter Stimme, den
Blick mühsam von der Tasche des Fremden losreißend. »Sie verfolgen und zur
Strecke bringen.«
»Das
wirst du nicht tun«, widersprach der Mann bestimmt. »Deine Aufgabe war es, dich
ihrer zu bemächtigen, ohne Aufsehen zu erregen.« Seine Augen wanderten zu
Freudts Pistole, die er noch immer in einer Hand hielt.
»Stattdessen«,
fuhr er in schärferem Tonfall fort, »hast du die Beherrschung verloren und dich
verraten. Dadurch bist du für dieses Vorhaben nutzlos geworden.«
Unvermittelt
spannte Freudt sich an. »Man will mich also beseitigen?«
Der
Fremde schwieg mit einem süffisanten Lächeln. Als Freudt bereits glaubte, er
würde keine Antwort mehr erhalten, schüttelte der andere einmal abgehackt den
Kopf. »Du wirst andernorts gebraucht, Diener. Aber denke keine Sekunde lang,
dass diese Entscheidung größter Gnade dein Verdienst gewesen wäre. Wenn Er es wirklich wollte, würde der Einzige dich mit Seinem kleinen Finger in
den Staub drücken und wie eine Made zerquetschen.«
»Das
weiß ich«, sagte Freudt und senkte den Kopf. »Ich danke Ihm auf Knien
dafür.«
»Missverstehe
mich nicht«, ermahnte ihn der Schwarzhaarige. »Du wirst für deine Verfehlung
büßen, wenn auch auf andere Weise, als du denkst. Und nun geh mir aus den
Augen. Der Gestank des Versagens haftet an dir und beleidigt meine feine Nase.«
Gehorsam
machte Freudt kehrt und ging davon. In seinem Rücken erklang erneut das
Schlagen von Flügeln, und als er über die Schulter zurückblickte, war der
Fremde fort. Lediglich ein finsterer Vogel zerschnitt den Leib des Himmels mit seinen
Flügeln, und innerhalb weniger Atemzüge war er in dessen Eingeweiden
verschwunden.
Kapitel IX
Taoyamas
Handflächen schwitzten, und in seinem Magen war ein flaues Gefühl, obwohl –
oder gerade weil? – er heute nicht einen Bissen hinunterbekommen hatte. Wieso hatte
er diese dumme Ratte vor ein paar Tagen nicht einfach laufen lassen? Warum nur
musste er immer auf seine Instinkte hören, die so rein gar nichts vom richtigen
Leben verstanden und ihm in den unpassendsten Momenten in seine sorgsam
überlegten Entscheidungen pfuschten? Hätte er das Tier nicht gefangen, könnte
er sich nun einen ruhigen Abend mit Maria in seinem Hotelzimmer gönnen.
Stattdessen stand er mit brodelnden Eingeweiden und langsam, aber stetig wachsenden
Kopfschmerzen in einer heruntergekommenen Seitengasse und wartete auf einen
Magier.
Viktor
Brandt, der Mann mit der einzelnen grauen Strähne in seinem ansonsten tadellos
schwarzen Haarschopf, der vor einigen Tagen die Mitglieder des Zirkels um sich
versammelt und sie über die allmächtige, drohende Gefahr informiert hatte,
hatte ihn vor wenigen Stunden telepathisch um ein Treffen ersucht. Natürlich
hätte es eine harmlose Zusammenkunft werden können, doch Taoyama wusste es
besser.
Nachdem
Brandt vor einigen Tagen seine Botschaft verkündet hatte, war das Treffen
endgültig eskaliert. Es war dem Redner kein weiteres Mal gelungen, sich in der
aufgebrachten Versammlung Gehör zu verschaffen, und so hatten sie sich bald
darauf zerstreut. Damit war die Geschichte allerdings noch lange nicht zu Ende,
und die Hoffnung der ältlichen Dame, dass sie nun einfach wieder nach Hause
zurückkehren könnten, erfüllte sich nicht.
Tatsache
war, dass die momentanen Ereignisse Aktionen von ihnen verlangten. Welche, das
würde sich erst noch zeigen.
Und
Taoyama hatte so ein ungutes Gefühl in der Magengegend, dass er in der vordersten
Front stehen würde, sobald dies der Fall wäre.
»Du
bist früh dran, Hiroshi. Nervös?« Mit beunruhigend ernster Miene tauchte Brandt
aus den umliegenden Schatten auf und nickte Taoyama knapp zu.
»Nein«,
log der Japaner und verfluchte sich im selben Moment. Er war schon immer ein
mieser Lügner gewesen. »Ein bisschen«, verbesserte er sich.
Zu
Taoyamas Überraschung lächelte Brandt. »Dann bin ich beruhigt. Soldaten, die
keine Angst vor der Schlacht haben, fallen schneller als die Ängstlichen und Behutsamen,
die sich lieber im Hintergrund halten und den richtigen Moment abwarten,
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