Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)
Gegenwehr erlahmte, und ich spürte, wie etwas Dunkles, Fremdes den Platz des
Lichts in meiner Brust einnahm.
Ein
leises Wimmern glitt mir über die Lippen, und ich krümmte mich zusammen wie ein
geprügeltes Tier. Die Schatten einer Ohnmacht scharten sich um den Rand meines
Bewusstseins, wollten mich in eine erlösende Schwärze locken. Und bei Gott, wie
sehr hieß ich sie willkommen!
»Laura?!«
Der Schrei schien aus weiter Ferne zu kommen, wie aus einer anderen Welt. Ich
nahm kaum wahr, wie sich der Griff um mein Hemd lockerte, und sackte wie eine
willenlose Puppe in mich zusammen. Der Mann, der mich bisher festgehalten hatte,
stieß ein gutturales Knurren aus. Mit einem Ruck fuhr er herum und verschwand
mit weit ausgreifenden Sprüngen in der Nacht.
»Laura!«
Vom
Gras gedämpfte Schritte ertönten, doch ich hatte weder die Kraft noch den
Willen, den Kopf zu wenden. Aufgebrachte Stimmen mischten sich in das Tappen
von Füßen, ebenfalls weit, weit weg und unbedeutend. Jemand ließ sich unmittelbar
neben mir ins Gras fallen, rief mit besorgter, ja, entsetzter Stimme meinen
Namen, wieder und wieder. Ich sah noch immer nicht auf, starrte aus leeren
Augen in die Dunkelheit vor mir, in der Hoffnung, dass sie meinen Geist aufsaugen
und dem Schmerz in meinem Inneren ein Ende bereiten würde.
Da
näherten sich mir schlanke Hände, wollten mich streicheln und bedecken. Ein
Zucken lief durch meinen gesamten Körper, wie ein heftiger Krampf, und ein keuchender
Schrei entwich meiner Kehle. Nun bewegte ich mich doch, schlang meine Arme um
meinen Leib und warf mich herum, fort von den suchenden Fingern. Tränen sickerten
durch meine fest zusammengepressten Lider. Der Gedanke, angefasst zu werden,
erfüllte mich mit einer Furcht, die mir die Kehle zuschnürte und mein Herz zu
einem eisigen Klumpen zusammenpresste. Ich wollte nicht mehr berührt werden,
von niemandem. Nie mehr.
»Nicht«,
drang eine nicht ganz so vertraute Stimme an mein Ohr. »Rühr sie nicht an.
Bleib weg von ihr.«
»Aber
ich kann sie doch nicht einfach so hier liegen lassen!« Die erste Stimme, deren
Klang den Schmerz in mir schier explodieren ließ, überschlug sich geradezu vor
Verzweiflung.
»Natürlich
nicht. Hol eine Decke aus dem Haus, wir tragen sie rein. Sie braucht jetzt vor
allem Wärme.«
»Dieses
… dieses Ungeheuer! Ich werde ihn töten. Wer auch immer ihr das angetan hat,
ich werde ihn eigenhändig erwürgen!«
» Kiro,
geh ins Haus! « Die zweite Stimme war geradezu schneidend scharf.
Sofort
verstummte die erste, und erneut waren Schritte zu hören. Ein anderer beugte
sich über mich, betrachtete mich aus sicherer Distanz.
»Alles
wird gut, Mädchen. Wir bringen das wieder in Ordnung. Gleich wird dir wieder
warm.«
Das
bezweifelte ich stark. Jede Wärme, die je in meinem Leib gewohnt hatte, war für
immer erloschen, jede Glut erstickt von der Welle des Hasses, die der Fremde in
meine Venen gepresst hatte.
Irgendwann,
vielleicht nach Minuten, vielleicht nach Stunden, kehrte der andere zurück, und
kundige Hände breiteten eine wärmende Decke über mich aus. Ich zitterte heftig,
als ich mich in die Höhe gehoben fühlte, aber ich wehrte mich nicht mehr, denn
nicht einmal das schien mehr Sinn zu machen.
Man
legte mich auf einem Bett ab, und ich verharrte in derselben Position, in der
man mich arrangiert hatte; eine atmende Puppe. Eine Person verließ
stillschweigend den Raum, während die andere blieb; ihre Präsenz war wie ein
erstickendes Kissen über meinem Gesicht, das mir den Atem abpresste.
Es
dauerte lange, unendlich lange, doch schließlich erhob auch sie sich und ließ
mich allein zurück. Als sie gegangen war, glaubte ich, ein grauenvolles,
eiskaltes Lachen hinter meiner Stirn zu vernehmen, ein Laut, der meinen
Verstand mit sich reißen und mich in den Wahnsinn treiben wollte.
Und
der schwarze Fleck, der sich auf meiner Seele gebildet hatte, wuchs allmählich,
bildete hauchdünne Fühler aus, mit denen er sich neue Fläche für seinen
Vernichtungsfeldzug suchte, um mich nach und nach zu zerfressen.
Kapitel IV
Der restliche Tag
zog an mir vorüber wie die farblosen Szenen eines Stummfilmes. Die Sonne im
Fenster mir gegenüber erhob sich träge über den Horizont, glitt über den Himmel
und sank schließlich wieder hernieder, müde von ihrer langen Reise. Von Zeit zu
Zeit betrat jemand den Raum und sah nach mir, aber verließ ihn sogleich wieder,
als er mich unverändert vorfand. Ich erinnerte mich daran,
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