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Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)

Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)

Titel: Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Vogltanz
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dass jemand sich einmal
an die Kante des Bettes setzte und versuchte, mir warmen Tee einzuflößen, doch
ich drehte mich zur Wand, die Hände schützend um meinen Kopf gelegt, als müsste
ich ihn vor Schlägen schützen. Ich konnte und wollte niemanden sehen, keine
Stimmen hören, und am allerwenigsten ertrug ich das Gefühl menschlicher Nähe.
    Öfter
drangen auch gedämpfte Gespräche an meine Ohren, ich schnappte die Worte
»Geduld« und »Schock« auf, doch bevor ich genauer darüber nachdenken konnte,
wanderte mein Geist wieder zurück auf eine Ebene, auf der Gedanken nichts
zählten. Es war ein barmherziger Ort ohne Erinnerungen. Alles wirkte schwarz
und düster, als hätte jemand einen undurchsichtigen Schleier über meine
Empfindungen geworfen. Ich war dankbar für diesen Zustand, denn alles war besser,
als meine Gefühle zuzulassen.
    Nach
vielen endlosen Stunden fiel ich schließlich in einen tiefen, traumlosen
Schlaf, aus dem ich erst wieder erwachte, als ein Sonnenstrahl wie eine sanfte Hand
über mein Gesicht strich und den Beginn eines neuen Tages ankündigte.
    Behutsam
öffnete ich die Augen, blinzelte in das mir grell erscheinende Sonnenlicht und
hatte einen Moment lang Mühe, mich in meiner Umgebung zurechtzufinden. Ich war
fest an die Wand gepresst, sodass mein gesamter Leib verkrampft war und
schmerzte. Jemand hatte die Decke, in der man mich gestern Nacht hereingetragen
hatte, sorgfältig über mich ausgebreitet, sodass sie des Nachts die Kälte aus
meinen Gliedern vertrieben und mich ruhig hatte schlafen lassen.
    Ich
seufzte leise, richtete mich halb im Bett auf und lehnte meinen Kopf an die vom
Sonnenschein erwärmte Tapete, die im Licht des jungen Morgens in frischem Weiß
zu erstrahlen schien. Soweit ich das beurteilen konnte, würde es ein schöner,
warmer Tag werden. Ich konnte den vollkommen wolkenlosen, tiefblauen Himmel
sehen, die strahlende Sonne und das saftige Grün des Grases, das den Garten wie
ein Teppich auskleidete. Ein Vogelschwarm flog vor dem Fenster vorbei, um
gleich darauf wieder kehrtzumachen und spielerisch um einen Baumriesen herumzuflattern,
ohne dass sich auch nur ein einziges Tier auf einen der Zweige niederließ. Mit
erstarrter Miene beobachtete ich das sorglose Treiben der Schwalben, wie sie
sich rasant fallen ließen und ihren Sturzflug im letzten Augenblick abbrachen,
wobei jede versuchte, die anderen in halsbrecherischen Manövern zu übertrumpfen.
Keine einzige schien sich Gedanken über den allzu nahen Aufprall zu machen.
    Irgendwo
in der Wohnung hörte ich gedämpfte Stimmen. Sie passten nicht in meine Welt aus
sorgsam gepflegtem Selbstmitleid und Melancholie. Außerdem weckten sie
schlechte Erinnerungen in mir, und mit ihnen kam auch der Schmerz zurück, den
ich wenigstens im Schlaf hatte vergessen können, der mich nun aber doppelt so hart
traf. Ich biss mir auf die Unterlippe, bis ich Blut schmeckte, und versuchte
mit aller Macht, die Tränen zurückzudrängen, die die Erinnerung in meine Augen
presste.
    Hör auf , ermahnte ich mich streng. Es hat
keinen Sinn, in der Vergangenheit zu leben. Versuch lieber, dich auf die
Gegenwart zu konzentrieren. Lass nicht zu, dass dieser Mistkerl die zarte
Pflanze der Zuneigung zertritt, die zwischen dir und Kiro gewachsen ist. Geh zu
ihm! Geh!
    Aber
konnte ich ihm schon wieder unter die Augen treten, ohne dass die Panik meine
Brust in eine eiserne Umarmung schließen würde?
    Es
hatte keinen Sinn, mit mir selbst zu hadern. Auch, wenn der Gedanke sehr
verlockend wirkte, konnte ich mich nicht ewig verkriechen. Vielleicht würde es
ein wenig leichter werden, wenn ich bereit war, zu vergessen. Die Zeit heilte
doch angeblich alle Wunden.
    Gedankenverloren
strich ich mit den Fingern über die weiche, nach Lavendel duftende Decke, die mich
noch immer umhüllte und mir ein wohliges Gefühl der Wärme vermittelte.
Schließlich stand ich entschlossen auf, schlang sie mir fest um den Körper und
verließ mit unsicheren Schritten meinen schützenden Rückzugsort.
    Als
ich im Flur angekommen war, spielte ich ernsthaft mit dem Gedanken, doch noch
einmal umzudrehen, um mich noch einmal zu verkriechen, mich erneut in die angenehme
Schwärze des Schlafes zu ergeben und zu hoffen, diesen Tag wie den gestrigen
einfach verpassen zu können. Als mir bewusst wurde, wie lächerlich diese Idee
im Grunde war, gab ich mir selbst einen Ruck und setzte meinen Weg fort.
    »Ich
mache mir Sorgen um Laura«, hörte ich plötzlich Kiro sprechen. »Sie war

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