Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)
mein Junge, das
kannst du mir glauben. So etwas sieht man nicht alle Tage – um genau zu sein
habe ich etwas Vergleichbares noch nie gesehen. Das war einfach … unfassbar.«
Ich hatte Hansen noch nie so aufgedreht erlebt. Er klang wie ein kleines Kind,
das begeistert von seinem ersten Feuerwerk berichtete.
Oder von einer Zaubervorstellung , dachte ich
spöttisch.
»Was
war das?« Diesmal hatte ich die Frage gestellt. Entgegen meiner eigenen
Erwartungen bekam ich sogar eine vernünftige Antwort.
»Was
ihr soeben erlebt habt, war nichts anderes als die Entfaltung eines Bruchteils
der Macht, die in euch steckt«, sagte Hansen eifrig. »Die Magie ist mit
Atomenergie zu vergleichen: Sie kann kontrolliert oder ungezielt eingesetzt
werden. Das, was ihr soeben erlebt habt, war letztere Variante, wie ihr gewiss
bereits erkannt habt. Dabei wird die Magie, die innerhalb dieses kurzen
Augenblickes zusammengetragen werden kann, in einem einzigen, gewaltigen Schlag
entladen. Eine sehr verschwenderische Art, seine Kräfte zu gebrauchen, die noch
dazu auf kein genaues Ziel ausgerichtet ist.«
»Also
sollen wir lernen, unsere Kraft gezielt einzusetzen«, vermutete ich.
»Sehr
gezielt und sehr speziell«, bestätigte Hansen, während er begann, einzelne
Scherben vom Boden aufzuklauben. »Es gibt hunderte, wenn nicht tausende Arten, euer
Potenzial umzusetzen, vielleicht sogar noch viel, viel mehr. Doch das, was ich
euch vorerst beibringen möchte, ist die pure Konzentration, die dazu
erforderlich ist. Ihr habt gespürt, dass ein gewaltiges Reservoire an Macht in
euch steckt, und ihr habt gesehen, was passiert, wenn ihr diese nicht unter Kontrolle
bringt. Das solltet ihr schnellstmöglich ändern, denn selbst die größte Kraft
nützt rein gar nichts, wenn man sie nicht zu kontrollieren vermag. Und
manchmal«, fügte Hansen deutlich leiser hinzu, »kann es auch sehr gefährlich
sein. Vor allem, wenn die Kraft so mächtig ist wie die eure.«
Hansens
Blick glitt noch einmal bezeichnend über das Schlachtfeld, in das sich sein
Wohnzimmer verwandelt hatte, und blieb auf meinem Gesicht haften.
»Seid
ihr bereit, den nächsten Schritt zu wagen?«, fragte Hansen ernst. »Seid ihr
bereit, die Macht, die man euch anvertraut hat, einzusetzen und euch damit in
diesem sinnlosen Krieg zu behaupten?«
Diesmal
dauerte es länger, ehe ich antwortete. Einen erneuten Trick Hansens vermutend,
tauschte ich einen raschen Blick mit Kiro, der ihn erwiderte und schließlich
angedeutet und kaum merklich nickte.
»Dann
lasst es uns versuchen«, sagte Hansen feierlich. »Aber vorher müsst ihr mir
helfen, dieses Chaos zu beseitigen.« Er ließ eine Handvoll Scherben in den Mülleimer
fallen. »Es gibt keinen Grund, diese ohnehin schon schwierige Übung weiter zu
erschweren.«
Wir
gehorchten widerspruchslos, und mit vereinten Kräften hatten wir das Wohnzimmer
bald auf Vordermann gebracht. Nachdem wir die zerbrochenen Fenster mit
Packpapier abgeklebt hatten, waren fast keine Spuren mehr von unserer Machtdemonstration
zurückgeblieben.
Hansen
nickte zufrieden und nahm vor uns Aufstellung. »Zuallererst möchte ich eure
Konzentration im Kampf schulen. Ihr sollt lernen, die Schwächen eurer Gegner zu
ermitteln und sie zu eurem Vorteil zu nutzen. Das mag einfach klingen,
erfordert jedoch große, geistige Beherrschtheit, vor allem dann, wenn euer
Gegner mit der Magie vertraut und auf psychische Angriffe vorbereitet ist.« Er
wandte sich an Kiro. »Möchtest du den Versuch wagen?«
Kiro
fuhr sich nervös mit der Zungenspitze über die Lippen, nickte dann aber.
Der
Arzt fuchtelte auffordernd mit der Rechten. »Versuch einfach, mich zu Boden zu
ringen, in Ordnung? Nicht mehr und nicht weniger – wer zuletzt steht, ist der
Gewinner.«
Kiro
nickte erneut – und stürmte ansatzlos vor. Er war schnell, unglaublich schnell,
und seine Bewegungen von einer Geschmeidigkeit und Kraft, wie ich es noch nie
bei einem Menschen beobachtet hatte. Beinahe schien es mir, als fließe er von einem Ort zum anderen.
Was
nichts daran änderte, dass er einen Lidschlag später zu Hansens Füßen lag und
diesen aus verdutzten Augen anblinzelte. Der ganze Kampf hatte nicht einmal
fünf Sekunden gedauert.
»Wie
haben Sie das gemacht?«, fragte Kiro verblüfft, während er sich wieder in die
Höhe stemmte.
Ich
konnte sein Erstaunen sehr gut nachempfinden, auch mir erging es nicht anders.
Obwohl ich die Szene als außenstehende Zuschauerin beobachtet hatte, hatte ich
die Bewegung
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