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Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)

Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)

Titel: Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Vogltanz
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spüren, etwas Dunkles und ungemein Mächtiges, das in meiner Seele
ruhte und dort seit beinahe zwei Jahrzehnten schlief. Als ich es entdeckte, war
ich zuallererst überrascht, noch nie Notiz davon genommen zu haben, dann
erfasste mich eine nagende Unsicherheit, die in Angst umzuschlagen drohte.
Dieses fremde Wesen, erschaffen aus reiner Energie, sollte ich einfach aus
seiner wohlverdienten Ruhe erwecken? Ich hatte kein Recht dazu – und abgesehen
davon war ich mir gar nicht so sicher, seiner Herr werden zu können, wenn ich
seine Macht erst entfesselt hatte. Was, wenn es mich für die Respektlosigkeit,
es in seinem Schlaf zu stören, vernichten würde? Wenn es mir gar nicht freundlich
gesinnt war, sondern sich ganz im Gegenteil gegen mich stellen und mich
zerschmettern würde wie ein lästiges Insekt, das man schon lange loszuwerden
trachtete?
    »Habt
keine Angst davor«, fuhr Hansen fort. Obwohl seine Stimme zu einem gedankenverlorenen
Murmeln herabgesunken war, konnte ich jedes einzelne Wort deutlich und klar
verstehen, als spräche er sie direkt neben meinem Ohr. »Wenn ihr Furcht zeigt,
wird sich eure Macht nicht eurem Willen beugen. Ihr müsst euch in ihren Augen
als würdig erweisen. Ihr seid würdige Träger, das weiß ich, doch das
bringt euch nicht den geringsten Vorteil ein, wenn ihr es nicht selbst wisst.
Zögert nicht länger – greift nach der Macht! Wenn ihr es jetzt nicht tut,
werdet ihr niemals wieder den Mut dazu aufbringen. Tut es – jetzt! «
    Und
ich gehorchte.
    Nicht
einmal einen Sekundenbruchteil später versank meine Welt in unübersichtlichem
Chaos. Das schwarze, gestaltlose Wesen in meiner Seele reagierte ganz anders,
als ich erwartet hatte. Es war nicht etwa widerwillig oder versuchte gar, sich
mir zu widersetzen, es sprang mich geradezu an.  Mit einem einzigen,
machtvollen Lidschlag erwachte es aus seiner Erstarrung und warf sich mit all
der Energie, aus der es bestand, auf mich. Mit einem halb erstickten Schrei
taumelte ich zurück, überwältigt von der unbeschreiblichen Kraft, die sich mit
weißglühenden Fäden durch meinen gesamten Körper zog und sich mit einem Schlag
entlud.
    Ruckartig
schlug ich die Augen auf, in der Hoffnung, mich in der Realität wiederzufinden,
doch die Energie war noch immer da, durchströmte mich geradezu und machte jeden
klaren Gedanken unmöglich. Ein gleißender Schein weißen Lichtes, der mir die
Tränen in die Augen trieb und aus keiner bestimmten Quelle zu kommen schien,
erhellte das Zimmer und verschluckte jeden klaren Umriss, als wäre in Hansens
Haus soeben eine zweite, gigantische Sonne erwacht. In diesem Moment war ich
vollkommen blind. Zeitgleich spürte ich einen gigantischen Druck, der auf
meinem Körper lastete, als befände ich mich tief unter Wasser. Der Schrei, der
in meiner Kehle emporstieg, wurde einfach abgewürgt und zu einem erstickten Keuchen.
Als ich schon glaubte, meine Organe würden von innen heraus zerdrückt, barsten
alle Fenster im Raum, und der unerträgliche Druck konnte nach außen entweichen.
    Neben
mir brüllte Kiro erschrocken auf, und auch meinen Lippen entwich ein
neuerliches, entsetztes Keuchen, als zahllose Scherben, wie von einer gewaltigen
Riesenfaust getroffen, in alle Richtungen auseinanderstoben. Gedankenschnell
ließ ich mich zu Boden gleiten und riss die Arme über den Kopf, um mich vor dem
heimtückischen Regen unzähliger, kleiner Messer zu schützen.
    Und
dann war es vorbei.
    Der
grelle Schein, der selbst durch meine Lider drang und mit ungelinderter Wucht
in meine Augen stach, verblasste langsam, und das ohrenbetäubende Bersten und
Splittern legte sich. Was folgte, war eine unnatürliche Stille.
    »Was,
zum Teufel, war das?«, murmelte Kiro neben mir. Seine Stimme bebte, und als ich
vorsichtig den Blick hob, um ihn anzusehen, erkannte ich, dass aus seinem
Gesicht alle Farbe gewichen war. Seine Stirn glänzte vor Schweiß, und er sah
genauso erschöpft aus, wie ich mich fühlte. Was auch immer es gewesen war, das
dieses gewaltige Inferno ausgelöst hatte, es hatte an unserer beider Kräfte gezehrt.
    »Das
war brillant«, antwortete Hansen und grinste dabei wie ein Honigkuchenpferd.
War das Stolz in seinen Augen?
    »Sie
werden neue Fenster brauchen«, erwiderte Kiro säuerlich.
    Hansen
wischte Kiros spöttische Bemerkung mit einer Handbewegung beiseite. »Und wenn
schon«, antwortete er. »Dann lasse ich eben morgen den Handwerker kommen. Diese
Machtdemonstration von euch beiden war es mir allemal wert,

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