Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)
ich, bevor Hansen etwas erwidern konnte. »Ich … habe es
dir nie erzählt, aber ich habe mit deinem Bruder … gesprochen. Ich weiß nicht
genau, wie, aber es gelang ihm damals, sich für einige wenige Minuten von dem
fremden Einfluss, der ihn gefangen hielt, zu befreien.«
Mit
Schaudern dachte ich an die grässlichen Momente zurück, als ich begriffen hatte,
dass Mike nicht Herr seiner Sinne war und sein Wille einer fremden Macht
unterworfen war, die ihn zwang, Dinge zu tun, für die er sich selbst
verabscheute.
In
Kiros Augen glomm ein Funken schwacher Hoffnung auf, doch er hatte noch nicht
einmal Luft zu einer Antwort geholt, als Hansen mit einem traurigen
Kopfschütteln dazwischenfuhr und seine Hoffnungen mit einem mitleidigen Blick
im Keim erstickte.
»Bei
dieser Art von Bewusstseinskontrolle geht es einzig und allein darum, stärker
als das andere Bewusstsein zu sein, das versucht, die Oberhand zu gewinnen«,
erklärte er. »Der mentale Druck konnte damals nicht besonders groß auf Michael
gelastet haben. Ich nehme stark an, unsere Feinde haben nicht mit deiner
Unterstützung gerechnet, Laura. Und sie machen in der Regel keinen Fehler
zweimal.«
»Und
was heißt das nun in Summe?«, fragte Kiro mit bebender Stimme. »Dass es
unmöglich ist, meinen Bruder endgültig vom Einfluss dieser Bestien zu befreien?«
»So
würde ich es nicht ausdrücken«, widersprach Hansen vorsichtig. »Natürlich ist
es nicht vollkommen unmöglich, einen solchen geistigen Bann zu brechen, aber
das erfordert gewaltige magische Kräfte.«
»Die
wir besitzen, wie Sie selbst behauptet haben«, warf Kiro ein.
Hansen
hob hilflos die Schultern. »Das ist gut möglich, aber was nutzt euch eure
Macht, wenn ihr sie nicht richtig einsetzen könnt? Und abgesehen davon«, fügte
er in leicht gereiztem Ton hinzu, »steht das nun gar nicht zur Debatte. Unsere
Position ist defensiv, und das wird sich so bald nicht ändern.« Es war das mit
Abstand Falscheste, was er in diesem Moment hätte sagen können.
»Sind
Sie verrückt?«, keuchte Kiro fassungslos. »Denken Sie ernsthaft, wenn es um das
Wohl meiner Familie geht, verschwende ich auch nur einen Gedanken an strategische
Schlachtpläne ?« Die letzten beiden Worte sprach er aus, als handelte es
sich dabei um eine besonders verabscheuenswerte Obszönität. »Ich bin doch keine
Maschine, die sich kalt und gefühllos ihre Chancen zum Sieg errechnet.
Verdammt, ich bin ein Mensch , und das hier ist kein Schachspiel, in dem
man den einen oder anderen Bauern entbehren kann, um seine Strategie aufrechtzuerhalten.
Mike ist meine Familie, Hansen, und ich habe Gefühle , verdammt noch mal!«
»Und
das bestreite ich auch gar nicht«, sagte Hansen ruhig, »aber in diesem Fall
werden sie dich nur behindern, glaube mir. Wenn du überleben willst, musst du
lernen, deine Emotionen zu kontrollieren.«
»Und
zusehen, wie meine Familie zerbricht?«, zischte Kiro wütend.
Hansen
erwiderte nichts, doch ich las die Antwort klar in seinen Augen, und das war
vielleicht deutlicher als alle Worte, die er dem Jungen entgegenschleudern
hätte können.
Kiros
Blick verhärtete sich. »So ist das also«, sagte er leise. Seine Stimme klang
spröde. »Gut. Wenigstens weiß ich jetzt, woran ich mit Ihnen bin. Ich muss mir
eingestehen, ich habe mich in Ihnen getäuscht, Hansen, schwer getäuscht. Sie
sind nicht das Ekel, als das ich Sie jahrelang angesehen habe, nicht einmal
annähernd.« Er atmete hörbar ein. »Sie sind nichts weiter als ein erbärmlicher
Feigling, der jedem Konflikt aus dem Weg geht und sich dabei von seinen
Mitmenschen decken lässt. Ein Mann, der zwar große Reden schwingen kann, im
Endeffekt aber den Mut einer Küchenschabe besitzt.«
Die
Worte waren zu keinem anderen Zweck gedacht, als Hansen zu verletzen, das
musste auch ihm selbst deutlich klar sein. Und doch zeigten sie Wirkung.
Hansen
bemühte sich nach Kräften, die Fassung zumindest äußerlich zu bewahren, doch
mir entging keineswegs, wie er unter Kiros Worten zusammenfuhr wie unter einem
Hieb. Die Anschuldigungen hatten ihm wirklich wehgetan, gerade deshalb, weil
sie nicht gänzlich haltlos waren.
Dann
versteifte er sich sichtbar und seine Miene gefror. »Das mag sein«, sagte er
mit einer Stimme, die Eis zum Splittern gebracht hätte, »aber Helden sterben
früh. Das ist auch der Grund, warum es sie heute kaum mehr gibt. Das Leben
eines Feiglings, wie du es nennst, währt um einiges länger als das eines
romantischen
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