Luna, Seelengefährtin - mein Hund, das Leben und der Sinn des Seins
Und entschuldigte mich nochmal und fragte dann: »Wo waren wir stehen geblieben?«
Ich rechne es meinen Freundinnen und Freunden hoch an, dass sie mich nicht stehen ließen. In dieser Zeit wäre ich ihnen aber auch nicht nachgerannt, denn es erschien mir absolut logisch, was ich in der ersten Stunde Hundeschule lernte:
»Wenn alles gut geht, werden Sie den Hund zehn, zwölf, vierzehn Jahre haben. Es liegt an Ihnen, wie Sie diese Zeit verbringen. Wollen Sie von Ihrem Hund an der Leine durch die Gegend gezerrt werden? Wollen Sie sich die Schulter auskugeln? Oder soll der Hund entspannt im Fuß neben Ihnen laufen, ob mit oder ohne Leine? Wollen Sie, dass der Hund bei jeder sich bietenden Gelegenheit abhaut? Oder wollen Sie sich darauf verlassen können, dass er bei Ihnen bleibt und auf Ihren Pfiff oder Ruf wie der geölte Blitz angespurtet kommt? Wollen Sie, dass er jeder Katze, die am Horizont auftaucht, hinterherjagt und dann womöglich überfahren wird? Oder wollen Sie seinen Jagdtrieb kontrollieren? Möchten Sie in Parks in der Dämmerung bei Starkregen herumstehen und sich die Stimme heiser brüllen? An zugigen Straßenecken stundenlang warten, ob Ihr Hund vielleicht wiederkommt? Oder wollen Sie jederzeit sicher sein, dass Ihr Hund auf Ihr Kommando Hier! sofort auf dem direkten Weg zu Ihnen stürmt?«
Ja, ja, ja! Ich will!
Und wie?
Konsequenz ist das A und O.
Die Eltern im Kurs seufzten: »Es ist wie bei der Kindererziehung.«
Es ist wie überall, dachte ich.
»Genau«, bestätigte die Hundetrainerin – oder, besser gesagt, die Menschentrainerin – und warnte uns. »Je intelligenter der Hund ist, desto leichter wird er Sie austricksen.«
Klar freute ich mich über meine Intelligenzbestie. Deshalb war es so wichtig, ihr keine Gelegenheit zu geben, mich auszutricksen.
Ich erklärte meinem Freund Peter: »Weißt du, wenn ich mich mit dir unterhalte, dann merkt die Luna, dass ich sie aus den Augen verliere. Da denkt die: Ach, die Olle ist beschäf tigt, da zieh ich doch mal mein eigenes Ding durch. Mal sehen, was da im Gebüsch so rumliegt, und ach, da drüben riecht es recht interessant – und tschüs.«
Peter nickte aufmerksam.
»Deshalb muss ich immer gucken. Und wenn ich rufe, soll sie sofort zu mir kommen. Wenn sie das nicht tut, muss ich zu ihr rennen. Ich muss sie in flagranti erwischen.«
»In flagranti?«, wiederholte Peter.
»Während der Tat, ja. Ich kann sie ja nicht schimpfen, wenn sie nach dem dritten Mal Rufen endlich zu mir kommt. Dann lernt sie nämlich, dass sie Schimpfe kriegt, wenn sie folgt. Sie muss mit mir immer etwas Positives verbinden. Bei mir ist es toll.« Ich strahlte Peter an.
»O-kay«, erwiderte er gedehnt, und ich nehme an, er selbst fand es immer weniger toll bei mir. Aber er hielt mir die Treue, wie so viele andere liebe Freundinnen und Freunde. Oder hielten sie vielleicht Luna die Treue? Dieser kleine süße Hund eroberte alle Herzen, und eigentlich war es gar nicht so schlimm, mit mir mittags Gassi zu gehen. Ein Welpe macht gute Laune. Die meisten wollen sowieso abnehmen, die Hundediät: Gassi gehen statt Mittagessen.
Ich selbst hasste Spazierengehen, und ich mag es bis heute nicht besonders. Doch ich habe mich so daran gewöhnt, dass ich nicht mehr davon lassen kann. Wenn ich mal irgendwo ohne Hund bin, fangen meine Beine um die Mittagszeit zu zucken an. Die brauchen Bewegung. Wahrscheinlich bin ich selbst zwischendurch zum Vierbeiner geworden und habe es nicht gemerkt. Meine Freundinnen und Freunde haben mich so genommen, wie ich mich veränderte. Ich glaube nicht, dass es einfach war, ich habe nie darüber nachgedacht, erst jetzt. Denn in dem Moment, wo Luna in mein Leben einzog, hatte ich keine Wahl mehr und ließ sie anderen auch nicht: entwe der mit Hund oder gar nicht. Entweder du akzeptierst meinen Hund, oder unsere Wege trennen sich. Und ich werde schneller weg sein, als du schauen kannst, weil ich nämlich keine Stöckelschuhe mehr trage. Auch keine mehr mit Absatz. Wie soll das gehen, querfeldein?
Modische Schuhe habe ich geliebt. Besonders solche, deren Absätze auf dem Trottoir knallen. Eine Woche nachdem der Welpe bei mir eingezogen war, begann mein Fellwechsel. In einem Outdoorladen, so etwas hätte ich früher niemals betreten, ließ ich mich ausführlich beraten und kaufte dann für mehrere hundert Euro Klamotten, die ich hässlich fand. Aber praktisch und bequem waren sie schon. Besonders die Schuhe. Man durfte nur nicht hinschauen. Musste ich
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