Luna, Seelengefährtin - mein Hund, das Leben und der Sinn des Seins
auch nicht, denn in den ersten Wochen mit Luna gab es draußen viel Matsch, und da musste ich die Fußklumpen dann wenigstens nicht sehen. Ziemlich schnell hörte ich auf, sie zu putzen. Zeitverschwendung, sie wurden sowieso gleich wieder dreckig. Außerdem sah mich keiner, da, wo ich herumstreifte. Und das sah man mir auch an. Der Matsch an den Schuhen breitete sich über mein gesamtes Äußeres aus. Das passiert automatisch, wenn der noch unerzogene Hund an einem hochspringt. Der noch unerzogene Hund ist eine einzige Dreckschleuder. Und ein Zeitfresser. Abends war ich oft so müde, dass ich das Haarewaschen auf morgen verschob und dann nochmal und nochmal. Mein Hexenhäuschen sah nur noch von außen romantisch aus. Innen hauste ein Welpe. Weil ich es gerne sauber habe, putzte ich die Böden zweimal täglich. Da war keine Zeit mehr für meine eigene Körperpflege. Auch der Innenraum meines Autos schrie mehrfach wöchentlich nach einer Grundreinigung. Ich setzte Prioritäten und verzichtete auf Schmuck, nachdem der Welpe einen Ohrring verschluckt hatte, den ich natürlich finden musste, wozu ich in seinen Hinterlassenschaften herumstocherte. Im Spiel wurden zwei Perlenarmbänder von meinem Handgelenk gerissen, versehentlich natürlich. Wenn etwas passierte, war meistens ich schuld, weil ich meine Aufsichtspflicht verletzt hatte. Selbst dezentes Schminken stellte ich ein, denn die kleine Luna liebte es, mich abzuschlecken. Auch wenn ich das nicht leiden konnte und zu entkommen versuchte, die heiße Luna-Zunge war schneller, und dann musste ich schon wieder Wasser über mein Gesicht laufen lassen.
In der ersten Woche wusch ich mir nach jedem Kontakt mit dem Hund die Hände. Dann begriff ich, dass ich gleich ins Badezimmer ziehen könnte, und ließ es zukünftig bleiben.
Auf den Hund gekommen
A ls ich auf den Hund kam, erkannte ich, dass auf einen Welpen und auf ein Baby zu kommen sehr viel gemein haben. Was bei stillenden Müttern die Milchflecken im Brustbereich, waren bei mir die schwarzen Haare überall. Hin und wieder auch Spucke. Aber zum Glück nur selten, da Luna kein Boxer oder Bernhardiner war. Bevorzugte Themen: Ausscheidungen und Nahrungsaufnahme. Auch junge Mütter sehen gelegentlich aus wie auf den Hund gekommen. Keine Zeit für Körperpflege. Ich habe das selbst oft mit Staunen erlebt. Ein mal rief mich eine gute Freundin weinend an, um mir ihr Leid zu klagen: »Es ist jetzt siebzehn Uhr, und ich bin noch immer ungeduscht im Nachthemd.«
Da sie die erste meiner Freundinnen im Mutterstatus war, reagierte ich völlig falsch.
»Na und?«, fragte ich, anstatt sofort anzubieten, vorbei zukommen und ihr die Kleine abzunehmen, damit sie duschen konnte.
Junge Mütter verändern sich manchmal auch charakterlich gravierend. Alte Freundschaften gelten plötzlich nichts mehr. Das Künstlerehepaar Sven und Svenja kennt plötzlich nur noch Kinderehepaare, das fängt schon bei der Geburtsvorbereitung an. Oder man lernt sich zufällig bei der Besichtigung eines Kreißsaals kennen, oder im Kindergarten verstehen sich zwei Kinder gut, und diese Freundschaft will man fördern. Auch ich habe einige meiner Bekanntschaften Luna zu verdanken – Welpenspielgruppe, Hundeschule und zufällige Gassi-Bekanntschaften. Die Kinder, die Hunde spielen so schön miteinander, das macht die Eltern und Hundebesitzer froh, man freundet sich vielleicht sogar an, betreut die Kinder, die Hunde abwechselnd, wenn mal Not am Mann oder an der Frau ist.
»Ich hab doch keine Lust, mit irgendwelchen Leuten zusammen zu sein«, erklärte Lara mir im sechsten Monat ihrer Schwangerschaft geringschätzig, »bloß weil unsere Kinder sich verstehen.«
Heute verbringt sie viel Zeit mit Menschen, die sie früher gerade mal gegrüßt hätte, die sie langweilig gefunden hätte oder spießig oder komisch. Kinder bauen Vorurteile ab. Wer hätte gedacht, dass eine Zahnarzttochter so nett sein kann? Wer hätte gedacht, dass das Frauli von dem toupierten Pudel so locker drauf ist? Menschen, die ich durch Luna kennenlernte und die ich wahrscheinlich nicht kennengelernt hätte: einen Gabelstaplerfahrer, eine Köchin, eine Landwirtin, einen Mechatroniker, einen Metzger, eine Psychoanalytikerin, eine Flugzeugmechanikerin, eine Physikerin, einen Bankdirektor. Alle Fraulis, Herrlis oder Chefs. Luna erweiterte meinen Horizont. Womöglich hatte sie da gewisse Defizite entdeckt? Auch dafür bin ich ihr dankbar, denn irgendwann hat man alles gesagt, was zum Thema Hunde
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