Luna, Seelengefährtin - mein Hund, das Leben und der Sinn des Seins
Gnadenhof heraus. Es gab Pferde und Ziegen, Schafe, einen Zwinger mit einem Dutzend Hunde, es gab Katzen und einen einzigen Labrador, wie wir bei der Begrüßung erfuhren.
»Wo sind denn die anderen?«, fragte ich.
»Weg«, sagte die Frau.
Innerhalb von vierundzwanzig Stunden von zwölf auf eins? Da schoss etwas Schwarzes um die Ecke, und ich dachte überhaupt nichts mehr.
Das schwarze Ding wedelte, als wollte es gleich abheben mit seinem kreisenden Propeller, es steckte seinen Kopf in meine aufgeknöpfte milkafarbene Jacke, stieß und stupste, schleckte mich hektisch ab, rannte zu Johannes und steckte den Kopf in seinen Anorak, verschwand schließlich vollständig darin, lachend saßen wir auf dem Boden, der schwarze Wuzel wuselte drollig durch das Zimmer. Mein Blick bohrte sich in den Welpen hinein. Bist du es?
»Ein Weiberl«, sagte die Frau.
»Wie alt?«, frage Johannes.
»Vierzehn Wochen«, sagte die Frau.
»Gesund?«, fragte ich.
»Selbstverständlich. Mit Impfpass.«
Als ich dem Tierarzt zwei Tage später von allem Folgenden erzählte, schüttelte er fortwährend den Kopf, als litte er an einem Nein-Tremor und malte unsere Zukunft schwarz an die Wand.
Ich erfuhr, dass man nicht einfach irgendeinen Hund von irgendwo mitnimmt. Wenn man einen Welpen möchte, besucht man ihn nach der Geburt einige Male, um sich zu versichern, dass es der richtige ist. Man schaut sich sein Umfeld an und achtet darauf, dass die Sozialisation wunschgemäß verläuft und der Hund an menschliches Leben und Geräusche gewöhnt wird. Man weiß darüber Bescheid, welchen Platz im Rudel das Tier einnimmt, und hat es auch bereits mit sich vertraut gemacht. Man ist in gutem Kontakt zu den Besitzern der Mutter des Hundes und schließt somit aus, dass der Hund beispielsweise durch Spritzen fit gemacht wird. Man kann einen Hund so aufpeppen, dass das Fell glänzt und er einen vitalen Eindruck erweckt, auch wenn er krank ist.
»Es gibt Leute«, sagte der Tierarzt, »die setzen Hunde unter Drogen. Woher wissen Sie, dass der Hund nicht trauma tisiert ist? Was hat er erlebt? Aus welchem«, er hob die Hände in die Luft und formte mit Zeige- und Mittelfingern Anfüh rungszeichen, »Stall kommt er? Ist er vielleicht gestohlen? Das geschieht häufig, bei Rassehunden, die in Mode sind. Welche Krankheiten trägt er in sich? Wie ist der gesundheitliche Zustand seiner Eltern zu beurteilen? Das alles sind bedeutende Kriterien. Man holt sich nicht einfach so irgend einen Hund! Warum sind Sie nicht zu mir gekommen? Ich hätte Ihnen ein einwandfreies Tier vermittelt. Da hätten Sie sicher sein können, dass keine exorbitanten Arztrechnungen auf Sie zukommen.«
»Die Vorbesitzerin sagte, dass es in Lunas Familie kein HD gibt«, erwiderte ich unsicher, um nicht ganz dumm dazustehen. Was eine Hüftgelenksdysplasie ist, wusste ich selbst erst seit Kurzem: eine Fehlentwicklung dieses Gelenks, die wie die Ellbogendysplasie weitgehend genetisch bedingt und somit vererbbar ist. Vor allem größere Hunde sind davon betroffen. Da sie erstmals beim Deutschen Schäferhund festgestellt wurde, wird sie manchmal als Schäferhund-Krankheit bezeichnet, obwohl sie bei anderen Rassen ebenfalls vorkommt. Während man sie jungen Hunden selten ansieht, zeigt sie ihre Auswirkungen je nach Ausprägung im fortschreitenden Alter immer deutlicher. Ein erkrankter Hund vermeidet dann plötzlich Sprünge und hat Schwierigkeiten beim Aufstehen. Zuletzt kann er unter so starken Schmerzen leiden, dass er bei bloßer Berührung im Hüftbereich aufschreit. Lediglich das Einsetzen eines künstlichen Gelenks kann dann noch helfen. Vielleicht werden Hunden ja auch irgendwann Herzen transplantiert. In der Kolumne von Harald Martenstein in der Zeit habe ich neulich gelesen, dass sich weltweit viele fundamentalistische Christen Sorgen darum machen, was nach ihrer glücklichen Himmelfahrt mit ihren Haustieren, Katzen und Hunden geschieht. Die müssen im christlichen Himmel nämlich leider draußen bleiben. Zum Glück gibt es jetzt eine speziell für den religiösen Ernstfall zugeschnittene Abhilfe: Für 135 Dollar kümmern sich die Mitarbeiter einer Versicherung nach der Himmelfahrt von Herrchen und Frauchen um dessen Haustiere. Die Versicherung versichert, dass alle Mitarbeiter erprobt und über jeden Zweifel erhabene Atheisten seien, die garantiert von einer Himmelfahrt ausgeschlossen würden.
Luna wollte weder himmelfahren noch auf dem Untersu chungstisch des Tierarztes stehen
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