Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster
rauskommen könnte. Wer hat es Ihnen denn erzählt?«
Er sah Louise mit Tränen in den Augen an.
»Das spielt keine Rolle. Erzählen Sie selbst.«
»Es begann vor knapp zwei Jahren. Ich bin Polier und bekam auf einmal wahnsinnige Rückenschmerzen. Jemand empfahl mir einen Krankengymnasten. Ich konnte damals kaum noch zur Arbeit gehen …«
Er schnäuzte sich wieder.
»Sie kamen also als Patient zu Charlotte?«
»Ja.«
»Hatte das auch damit zu tun, dass Sie sie schon vorher kannten?«
Er sah sie an, als überlege er, was die Polizei eigentlich alles über seine Vergangenheit wusste.
»Ich habe mich mit ihrer langjährigen Freundin Kristina unterhalten. Ich weiß also, dass sie sich schon seit Ihrer Jugend kannten«, meinte Louise.
»Damit hatte das aber nichts zu tun. Ich hätte genauso gut bei der anderen Krankengymnastin landen können, mit der Charlotte gemeinschaftlich die Praxis betrieb. Es ergab sich einfach so … Charlotte behandelte mich, und meine Rückenschmerzen verschwanden … ja, und dann ging es so weiter.«
»Sie gingen also ein Verhältnis ein.«
»Ja.«
»Auch sexuell?«
»Ja.«
»Wusste ihr Mann davon?«
»Nein.«
»Sind Sie sicher?«
»Soweit ich weiß, wusste er nichts. Aber er hätte es natürlich früher oder später erfahren.«
»Können Sie das näher erklären?«
»Es deutete alles darauf hin, dass wir zusammenziehen würden, Charlotte und ich.«
»Gab es dafür konkrete Pläne?«
»Wir hatten noch kein Datum bestimmt, aber es war geplant.«
»Was hätte Harald Ihrer Meinung nach davon gehalten?«
»Das hätte wohl niemandem gefallen! Aber ich glaube, dass Charlotte Angst vor ihm hatte.«
»Inwiefern?«
Er suchte nach den richtigen Worten.
»Bedrohte er sie? Wandte er Gewalt an?«, wollte Louise wissen.
»Nicht direkt. Soweit ich weiß, hat er sie nie geschlagen. Aber unterschwellig war da etwas.«
»Was?«
»Die Angst.«
»Wovor?«
»Dass der schöne Schein zerstört werden würde.«
»Ging es nur um die Fassade?«
»Eine Scheidung ist nie ein Vergnügen. Das weiß ich. Ich bin selbst geschieden.«
»Sie haben zwei Kinder?«
»Ja. Wir haben das gemeinsame Sorgerecht.«
»Sie tragen noch den Nachnamen Ihrer geschiedenen Frau?«
»Ja. Sie wollte nicht den Dutzendnamen Petersson tragen.«
Louise nickte.
»Aber um wieder auf Charlotte und Harald zurückzukommen. Sie haben von dem schönen Schein gesprochen. Gab es etwas anderes, was ihm im Falle einer Scheidung hätte Sorgen bereiten können? Sie behaupten schließlich, dass eine Scheidung in der Luft gelegen habe.«
»Vielleicht die Firma.«
»Können Sie das näher erklären?«
»Die Drott AB und Harald waren gewissermaßen eins.«
»Hatten Sie Einblick in Charlottes Finanzen?«
Er errötete leicht.
»Sie hatte Geld, so viel wusste ich.«
»Spielte das eine Rolle?«
»Das spielt immer eine Rolle«, meinte er kurz angebunden.
Louise nickte.
»Könnten Sie das vielleicht präzisieren?«
»Geld ist nie vollkommen bedeutungslos«, meinte er. »Aber falls Sie wissen wollen, ob ich eine Affäre mit ihr anfing, weil sie Geld hatte, kann ich nur sagen, dass Sie sich ganz und gar irren. Aber glauben Sie doch, was Sie wollen.«
Vermutlich hätten Sie sie nicht vor der Heirat ermordet, dachte Louise.
»Sie haben sie nicht im Krankenhaus besucht?«
»Nein.«
»Wir brauchen von Ihnen eine Speichelprobe für die DNA-Analyse. Sie kennen das vielleicht schon?«, sagte sie, und er nickte. »Es gibt viele Spuren im Krankenzimmer, und wir wollen sicherstellen, dass keine von Ihnen stammt.«
»Da können Sie Gift drauf nehmen.«
»Gut, dass Sie nichts dagegen haben. Können Sie uns noch sagen, wann Sie sie zuletzt gesehen haben?«
Plötzlich brach er wieder in Tränen aus.
»Am Tag, bevor auf sie geschossen wurde. Sie war hier.«
»Haben Sie sich immer hier getroffen?«
»Ja, allerdings nicht in den Wochen, in denen ich die Kinder hatte.«
»Hatten Sie danach keinen Kontakt mehr mit ihr? Weder per Telefon noch im Krankenhaus?«
»Nein«, schluchzte er.
Louise spürte, dass ihr unter der Daunenjacke der Schweiß ausbrach. Sie verabschiedeten sich.
»Nennt man das jetzt Liebe?«, fragte sie Peter Berg anschließend im Auto.
Er beantwortete ihre Frage nicht.
Claes Claesson und Benny Grahn standen vor der weiß glänzenden Tafel. Es war mitten am Tag, aber trotzdem nicht richtig hell. Draußen schneite es, und sie hatten Licht gemacht.
Technik-Benny hielt seine Unterlagen in der Hand und malte
Weitere Kostenlose Bücher