Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster
so war, es gefiel ihr aber, dass es so gekommen war.
»Dann komme ich heute Abend zu dir«, sagte sie.
Denn Daniel wohnte näher an der Klinik als sie. Sie hatte erst spät Feierabend, um halb zehn, und musste schon früh wieder aufstehen, weil sie um sieben wieder anfangen musste. Sie hatte einen Schlüssel zu seiner Wohnung und er einen zu ihrer.
Sie verließen die Wohnung gemeinsam. Hand in Hand gingen sie die Treppe hinunter, Sara-Ida Ström und ihre große Liebe Daniel Skotte.
Als sie auf die Straße traten, rieselten große Schneeflocken wie Papierschnitzel langsam vom Himmel und schmolzen auf dem Asphalt.
»Der Schnee schmilzt sofort«, sagte Sara-Ida.
»Ja, leider«, erwiderte Daniel Skotte. »Gegen eine weiße Weihnacht hätte ich nichts einzuwenden gehabt.«
Dann küsste er sie auf den Mund, und sie trennten sich.
»Louise Jasinski von der Polizei«, sagte sie.
Sie hatte eigentlich Erika Ljung und Peter Berg schicken wollen, weil sie nicht damit gerechnet hatte, es selbst zeitlich noch zu schaffen, aber jetzt hatte es glücklicherweise doch noch geklappt. Sie war gerne persönlich dabei, um selbst Unausgesprochenes und Pausen zu interpretieren. Sie hatte die langjährige Freundin, Kristina Luna, getroffen. Sie hatte Charlotte Erikssons künstlerische Freundin Alena Dvorska ein weiteres Mal befragt. Das war gestern am Spätnachmittag gewesen. Dvorska hatte schließlich gesagt, wie die Dinge lagen, und war in Tränen ausgebrochen. Vermutlich, weil aus dieser Liebesgeschichte nie etwas geworden war.
Thomas Dunåker trat von dem kleinen schwarzen Fußabstreifer mit der roten Aufschrift Willkommen zurück. Er reichte ihr eine große, warme Hand. Louise schnürte ihre Stiefel auf, während Peter Berg in die Wohnung trat.
Dunåker schloss die Tür und nickte Richtung Küche. Peter Berg bat darum, die Toilette aufsuchen zu dürfen. Louise behielt ihre Jacke lieber an, da sie begonnen hatte, Daunen zu verlieren, die auf ihrem Pullover kleben blieben. Aber in diesem Jahr konnte sie sich keine neue Jacke leisten, sie brauchte das Geld für die Wohnung.
Kein schmutziges Geschirr stand in der Spüle. Sie wartete darauf, dass Peter zurückkam, da sie das Gespräch mit Thomas Dunåker nur zusammen mit ihm beginnen wollte.
Er hatte eine aufgeräumte, ordentliche Junggesellenwohnung. Sie gingen jedoch davon aus, dass es noch bis vor kurzem eine Frau in Dunåkers Leben gegeben hatte. Dunåker stand mit verschränkten Armen an der Spüle gelehnt und schien seinen Gedanken nachzuhängen.
Sie stellte sich ans Fenster. Feine Schneeflocken schmolzen auf dem Asphalt. Dunåker wohnte im dritten Stock eines Mietshauses im Älgstigen, der ganz in der Nähe in den Axel Munthes Stig direkt neben der Volkshochschule mündete. Das Viertel hieß Norrtorn und lag auf einer Anhöhe, ein so genanntes unbelastetes Viertel, in dem es weder Graffiti noch Müll gab. Im Augenblick wirkte es recht ausgestorben und grau. Es würde mehr Schnee geben.
In solchen Momenten sehnte sich Louise fort. Sie sann darüber nach, warum sie sich nicht einfach eine Stelle in Stockholm suchte, jetzt wo sie wieder frei war. Sie wusste jedoch auch, dass sie das nie tun würde, sie brauchte nur die Sehnsucht. Ihre Wohnung war außerdem alles andere als deprimierend. Und dazu hatte sie noch Kenneth, der eben erst in ihr Leben getreten war.
Endlich kam Peter Berg in die Küche.
»Sie wissen, warum wir hier sind«, begann sie.
»Ich kann es mir denken«, erwiderte er und sah sie mit seinem braunen Hundeblick an. »Geht es um Charlotte?«
Dann verzog sich sein Mund, und er begann zu schluchzen.
Louise und Peter Berg sahen einander verwirrt an. Alle anderen waren so zurückhaltend gewesen. Abgesehen einmal von den aggressiven Ausfällen des Ehemannes, die allerdings auch ein Ausdruck seiner Trauer sein konnten.
»Sie waren ein Paar, nicht wahr?«, fuhr sie fort.
Er nickte. Louise betrachtete sein Gesicht. Sie konnte seine Anziehungskraft auf Charlotte sehr gut nachvollziehen. Harald sah zwar besser aus, von seiner Art war er aber auch egoistischer und introvertierter. Wir fühlen uns von menschlicher Wärme und Herzlichkeit angezogen, dachte sie.
»Weshalb haben Sie sich nicht bei uns gemeldet?«
Er schnäuzte sich und zuckte mit den Achseln.
»Warum hätte ich das tun sollen? Ich hatte schließlich nichts mit ihrem Tod zu tun.«
»Glauben Sie, dass niemand von Ihrem Verhältnis wusste?«
»Natürlich hatte ich den Verdacht, dass es
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