Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster
versah, war sie verlobt und wieder verheiratet, und man würde sich überlegen, ob sie nicht trotz ihres Alters auch wieder etwas Kleines erwartete.
Kenneth hatte einen einundzwanzigjährigen Sohn namens Patrik, der bei seiner Mutter in Nybro gewohnt hatte, aber jetzt in Malmö studierte. Sein Sohn und er hätten sich oft getroffen, hatte der stolze Vater erzählt. Mit oft meinte er etwa einmal im Monat, was Louise recht dürftig vorkam, denn sie hätte es sicher nicht ertragen, ihr Kind nur so selten zu sehen. Das wäre selbst Janos zu wenig gewesen, trotz der egoistischen und eifersüchtigen Diven, die er sich immer wieder anlachte und die es vorgezogen hätten, wenn Sofia und Gabriella ein für alle Mal von der Erdoberfläche verschwunden wären.
Kenneth schrieb seinen Namen mit h am Ende und erzählte augenzwinkernd, dass er deswegen auch Mitglied im Kenneth-Club sei, der seit 1993 bestehe.
»Was war 1993?«
»Da bekamen wir einen Namenstag, den 29. April.«
Er grinste.
»Nicht schlecht«, erwiderte Louise. »Wie viele Kenneth gibt es denn?«
»Tja, in Schweden sind es fast 14000, aber wie viele von denen im Club sind, weiß ich nicht. Außerdem gibt es einige Tausend ohne h. Aber die dürfen nicht in den Club. Ein h muss sein.«
Sie überlegte, ob er sie gerade zum Besten hielt.
»Das ist wahr. Ehrenwort. Du kannst dir das im Internet ansehen.«
Mit Kenneth mit h konnte man sich gut unterhalten. Sicherlich hatte er schon einige Frauen bezirzt. Eine gewisse Eifersucht meldete sich bereits, aber sie nahm sich vor, sie zu ignorieren.
Sie bestellten das Dessert, Eis mit Heidelbeeren. Allmählich wurde Louise etwas müde, schließlich war sie keine zwanzig mehr.
Aber sie war verliebt.
Ehe sie von zu Hause losgegangen war, hatte sie sich vorgenommen, Kenneth auf keinen Fall zu sich hereinzubitten, obwohl die Mädchen bei Janos waren. Man wusste nie, ob sie nicht trotzdem auftauchen würden.
Eine Stunde später lag Kenneth Strömberg neben ihr auf der Schlafcouch, aber an Schlafen war nicht zu denken.
15
Es ging auf Weihnachten zu, in vier Tagen war Heiligabend, und ihr Leben stand irgendwie Kopf. Früher hatte sie nie so geweint, eine Flut salziger Tränen ergoss sich auf Daniels Schulter, ohne dass sie traurig, wütend oder enttäuscht gewesen wäre.
»Was ist los?«, fragte er und wiegte sie in seinen Armen.
Sara-Ida konnte nicht antworten. Wusste selbst nicht, warum die Tränen nicht aufhören wollten zu strömen.
Sie schüttelte leicht den Kopf. Es war befreiend und schön, endlich loszulassen. Ausnahmsweise ruhte sie in sich und nicht in einem mageren Körper, aus dem ein Mannequin werden sollte. Sie versteckte sich auch nicht hinter einem akkurat geschminkten Gesicht, das perfekt und starr war wie eine Maske.
»Ich weine, weil ich dich so wahnsinnig gern habe«, murmelte sie.
Er nahm sie noch fester in die Arme und drückte sie zärtlich. Er wischte ihr die Tränen von den Wangen und küsste sie auf den Mund.
Daniel tröstete sie über alles hinweg, über ihr Leben, so wie es jetzt war, und über Dinge, die vor langer Zeit geschehen waren. Große und kleine Abscheulichkeiten, die ihr immer noch zu schaffen machten.
»Du bist lieb«, sagte sie schniefend und ging in die Küche, um ein Stück Küchenkrepp zu holen.
Er schwieg. Vielleicht war es nicht das gewesen, was er hatte hören wollen, aber ein besseres Kompliment konnte sie ihm nicht machen.
Sie machte sich die Brote, die sie zur Arbeit mitnehmen wollte. Um eins fing sie an. Daniel hatte frei, er musste mit seinem Wagen zum TÜV und wollte anschließend zu sich nach Hause fahren.
Sie kniete sich hin und stellte Wurst und Butter wieder in den winzigen Kühlschrank. Die Pantry-Küche hatte ein schräges Dach mit einem winzigen Fensterchen. Daniel konnte nur an der kleinen Spüle aufrecht stehen. In letzter Zeit lagen immer zwei Sets aus Seegras auf dem Tisch. Eines für Daniel und eines für sie. Sie hatte einen Adventskerzenhalter aus rot lackiertem Blech gekauft und mit getrocknetem Moos und Fliegenpilzen aus Plastik dekoriert. Drei Kerzen hatten sie bereits angezündet. Am Sonntag war vierter Advent und am Tag darauf Heiligabend. Sie würden Weihnachten nicht zusammen feiern, das fanden sie noch zu früh. Beide wollten bei den Eltern feiern. Die von Daniel wohnten in Växjö.
Daniel war meist bei Sara-Ida gewesen, obwohl seine Wohnung viel größer war und er sogar einen Balkon hatte, Sie dachte nicht viel darüber nach, warum das
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