Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster
Garten war von den ersten Besitzern des 1932 erbauten Hauses angelegt worden. Vorher hatte sie in einem schuhkartongroßen Haus aus den Sechzigerjahren gewohnt. Dort war der Garten im Lauf der Zeit immer weiter verwildert, und zum Schluss hatte sie den Wildwuchs gar nicht mehr in den Griff bekommen.
Als Claes und sie ihr jetziges Haus übernommen hatten, war der Garten gepflegt gewesen, aber es hatte trotzdem einiges zu tun gegeben. Veronika hatte damit gerechnet, dass es viel einfacher werden würde, da sie jetzt zu zweit waren. Sie hatten große Pläne geschmiedet und davon geträumt, den Garten wieder in seinen ursprünglichen Zustand zu verwandeln, dann aber einsehen müssen, dass sie dieses Projekt aufschieben mussten.
Aber eigentlich war gar nicht so viel zu tun. Sie stand zwischen den acht Obstbäumen und betrachtete den Garten. Der Anlageplan aus den Dreißigerjahren war, wie so oft damals, einfach. Sie mussten den Weg, der um das Haus herumgeführt hatte, erneut anlegen, der andere, der zur Haustür führte, genügte nicht. Auch dort musste man den Kies erneuern. Die Gemüsebeete hinter dem Haus mussten umgegraben werden, aber dazu würde es mit ziemlicher Sicherheit nie kommen. Kartoffeln und Möhren pflanzen war nicht ihr Ding. Sie hatten sich auf die Bäume konzentriert. Claes hatte sie nach allen Regeln der Kunst, die er sich angelesen hatte, beschnitten.
Sie hatten ziemlich viel Arbeit auf die Beete verwendet, die den Weg zur Haustür säumten. Dort sollte es vom zeitigen Frühling bis zum ersten Herbstfrost blühen. Sie hatten eine Menge Blumenzwiebeln gesetzt und Stauden wie Pfingstrosen, Lilien, Rainfarn, Goldrute, Herbstrudbeckie und Phlox gepflanzt. Diese Pracht, auf die sie sehr stolz waren, konnten sie vom Küchenfenster aus genießen. So stolz, dass die guten Ratschläge einer Nachbarin, wie der Rasen gleichmäßiger und die Beetkanten akkurater zu gestalten seien, an ihnen abprallten.
»Sie haben sicher Recht«, hatte Claes reserviert geantwortet.
Die Nachbarin arbeitete tagein, tagaus im Garten. Sie war krankheitsbedingt Frührentnerin und hatte viel Zeit. Es schien ihr gesundheitlich jedoch nichts zu fehlen.
Veronika wollte einen Apfelkuchen backen. Sie hatte drei Varianten im Repertoire: Rührkuchen, Apfelkuchen mit Vanillesauce oder Apfelkuchen mit Vanilleeis. Es kam nur selten vor, dass sie ihn bis zum Ende der Saison leid waren. Sie hatte vergessen Zimt zu kaufen. Es gab jedoch Marzipan und eine Zitrone, deren Schale sie abreiben konnte. Sie sehnte sich nach etwas Süßem. Vielleicht als Ausgleich zu der Schwermütigkeit, die von ihr nach dem kurzen Gespräch mit Cecilia Besitz ergriffen hatte.
Cecilia hatte von sich aus angerufen. Sonst war es meist Veronika, die anrief. Die Unterhaltung war wie so oft zäh und unbefriedigend verlaufen. Sie sehnte sich nach Cecilias sorglosem Geplauder von früher. Am liebsten wäre sie sofort zu ihr gefahren, hätte sich auf ihre Bettkante gesetzt und sich mit ihrem großen Mädchen unterhalten. Sie wollte einfach so bei ihr vorbeischauen können.
Claes kam gerade, als der Apfelkuchen fertig war. Klara hatte ein Butterbrot gegessen, Veronika kochte Kaffee und Tee und zündete eine Kerze auf dem Küchentisch an, ehe sie sich setzten.
»Wie geht’s?«, fragte sie.
»Weiß nicht.«
»Glaubst du, dass ihr den Mann mit der Pistole erwischt?«
»Wirklich gut.« Er deutete mit dem Löffel auf den Apfelkuchen.
Sie lächelte.
»Der Mann mit der Pistole«, erwiderte er dann zögernd. »Und wenn es eine Frau ist?«
Claesson war gerade bei dem Ehemann gewesen, hatte aber nicht die Kraft und nicht die Lust, davon zu erzählen. Er war sich vollkommen bewusst, was er weitererzählen durfte und was nicht, genauso bewusst war er sich seiner gelegentlichen Verstöße.
Veronika war nur selten neugierig. Sie hatte genug gehört und gesehen, und auf weitere Katastrophen in ihrem Leben konnte sie verzichten. Sie erzählte fast nie von ihren Patienten und wenn doch, dann immer ohne Namen. Aber am Morgen hatte sie erwähnt, dass der Ehemann der Verletzten weiterhin extrem besorgt war, obwohl der Zustand seiner Frau sich von Stunde zu Stunde verbesserte. Wahrscheinlich würde man sie bereits Montagmorgen auf eine normale Station verlegen.
Der Mann wirkte übertrieben beschützend. Ganz offensichtlich liebte er seine Frau sehr, wie eine Krankenschwester festgestellt hatte. Man müsse verstehen, dass er außer sich vor Sorge sei. Einen solchen Mann müsste
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