Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster
gleichzeitig unablässig aufeinander ein.
An Jörn dachte sie nicht mehr und merkte auch nicht, wie er sich von der Bank erhob und einige Sekunden später in dieselbe Richtung schlenderte.
Claesson fuhr auf den Låglandsvägen und bog dann Richtung Zentrum ab.
Er tat das alles mechanisch, tat, was von ihm erwartet wurde. Eine Schießerei war in ihrer Stadt eine große Sache, auch für die Polizei. Und trotzdem gelang es ihm nicht, sich zu engagieren. Er verspürte ein größeres Bedürfnis als je zuvor, danach eine Auszeit zu nehmen. Nach Monaten der Unruhe und unzähligen Fahrten nach Lund musste seine kleine Familie wieder zusammenfinden. Raus in die Natur oder was auch immer. Vielleicht würde ihm alles leichter fallen, wenn er nur etwas Zeit für sich bekäme.
Er war gut gelaunt aufgewacht und hatte Veronika an sich gezogen. Herrlich!
Aber jetzt war er müde und fand sein Dasein anstrengend. Es war an der Zeit, wieder einmal über etwas zu lachen! Auf gut Glück schaltete er das Autoradio ein. Nachrichten. Bei Oskarshamn war eine Endlagerstätte für Atommüll geplant. Er spitzte die Ohren und drehte lauter. Ein umfangreicher Antrag für eine Versiegelungsanlage war eingegangen. Die Endlagerstätte war fünfhundert Meter unter der Erdoberfläche geplant, und zwar ganz in der Nähe des KKWs auf der Simpevarpshalbinsel nördlich von Oskarshamn. Viele Arbeitsplätze, dachte Claesson zwiespältig. Irgendwo mussten sie den Dreck natürlich lassen. Der Schuss wurde in den Lokalnachrichten nicht erwähnt. Waffen gab es überall. Es hatte kaum einen Sinn, seine Zeit darauf zu verwenden, aber um den Schein zu wahren, würde die Polizei es trotzdem tun müssen.
Die Sache würde sich natürlich wesentlich ändern, wenn das Opfer selbst etwas beizutragen hatte, falls Charlotte Eriksson eine gute Täterbeschreibung geben konnte.
Er beabsichtigte, die Klinik aufzusuchen, und rief dort an. Er erfuhr, dass die Patientin noch einen weiteren Tag Erholung benötige, um ihm dann kohärentere Antworten geben zu können, die weniger von Schmerzen oder Medikamenten beeinflusst sein würden.
Er fuhr am Zentrum vorbei, am Hafen entlang und Richtung Kolberga. Es war nett, dass Veronika zu Hause war. Dann konnten sie gemütlich Kaffee trinken. Trotz der Wärme wurde es Herbst. Die Bäume verloren ihre Blätter, die Hagebutten leuchteten rot, und der Nachbar, ein Pedant, harkte das Laub zusammen.
»Gut, dass du kommst«, sagte Veronika, als er über die Schwelle trat. »Dann lege ich mich einen Augenblick hin.«
Hohläugig ging sie ins Obergeschoss und machte die Schlafzimmertür hinter sich zu. Klara saß am Küchentisch.
»Na denn«, sagte er und versuchte, seine Enttäuschung hinunterzuschlucken. »Dann eben wir zwei.«
5
Claes Claesson trug eingedenk seiner viel zu warmen Kleider vom Vortag ein kurzärmeliges Hemd. Erika Ljung begleitete ihn ins Krankenhaus.
Dank der Klimaanlage war es relativ kühl. Es war ein strahlend sonniger Sonntagvormittag, und das Foyer war menschenleer. Bis zur Besuchszeit waren es noch mehrere Stunden.
Sie fuhren mit dem Fahrstuhl nach oben. Irgendwo im Gebäude hält sich Veronika auf, dachte Claesson, als sie auf Ebene sechs ausstiegen. Eine grüngekleidete Frau sah ihnen lange hinterher und verschwand dann im OP-Trakt. Sie klingelten an der gegenüberliegenden Tür und warteten gemäß Anweisung auf einem Schild.
Mona Lundin hatte sich auch heute wieder bereiterklärt, sich um Klara zu kümmern. Sie mussten eine permanente Lösung finden und brauchten ein neues Kindermädchen, da das letzte umgezogen war.
Niemand öffnete. Sie drückten die Türklinke. Es war nicht abgeschlossen. In dem kurzen Korridor war keine Menschenseele. Auf leisen Sohlen, da sie glaubten, in jedem Bett läge ein schwerkranker Patient, traten sie ein, aber sämtliche Zimmer waren leer.
In einem Raum mit Glaswänden, dessen Türen offen standen, saß ein Mann in der blauen Kleidung des Pflegepersonals und starrte auf einen Monitor. Claesson räusperte sich, stellte sich vor und teilte sein Anliegen mit.
Immerhin legt er keine Patience am Computer, dachte Claesson, der sich hatte sagen lassen, dies sei in der Klinik vor allem nachts eine beliebte Beschäftigung.
»Ich muss nur schnell den zuständigen Arzt fragen, ob es in Ordnung geht, dass Sie sich mit ihr unterhalten«, sagte der Intensivpfleger.
Claesson wartete, während er telefonierte. Erika Ljung stupste ihn an.
»Arbeitet deine Frau nicht hier?«,
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