Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster
Mälaren und Vänern und vor teilweise überschwemmten Städten, unter anderem auch Stockholm, falls keine Gegenmaßnahmen ergriffen würden. Er wusste natürlich, dass Letzteres seine Wirkung zeitigen würde, denn alles, was die Hauptstadt betraf, fand Gehör. Stockholm, eine der schönsten Hauptstädte der Welt, teilweise auf Inseln errichtet, würde einfach davonschwimmen. Neue Abflüsse für die Seen seien notwendig. Todernste Stimme und gerunzelte Stirn. Man müsse etwas unternehmen und zwar jetzt!
Es geht um Klaras Zukunft. Was kann ich unternehmen?, überlegte Claes. Man kann nicht einfach nur zuschauen, während alles immer schlimmer wird.
Gleichzeitig lauschte er auf das Auto. Das Fenster stand einen Spalt offen. Veronika hatte nicht lange fortbleiben wollen.
Das Wohnzimmer lag im rückwärtigen Teil des Hauses und das Schlafzimmer direkt darüber. Nachts war es sehr still, und die Autos auf der Landstraße von Kalmar nach Västervik waren nur in sehr weiter Ferne zu hören. Hinter dem Haus lagen der Wald, die Weiden und die von Feldsteinmauern umfriedeten Äcker, vereinzelte rote Holzhäuser mit weißen Fensterrahmen und Glasveranden. In Gedanken fuhr er über Land. Er sah kleinere Industrieorte an Flüssen und Wasserfällen vor sich, uralte Fischerdörfer in den Schären von Misterhult mit kleinen Häfen in geschützten Buchten. All das stand ihm zur Verfügung. Ein Überfluss, den er als selbstverständlich erachtete. Könnte er ohne ihn leben? Konnte er sich woanders wohl fühlen?
Er wusste, warum ihm diese Gedanken gerade jetzt durch den Kopf gingen. Er versuchte sich daran zu gewöhnen, dass das Leben wechselhaft war. Er versuchte für den Fall, dass sie jetzt doch umziehen mussten, seinen inneren Widerstand zu brechen. Große Restrukturierungen waren im Krankenhaus geplant. Das sorgte für Unruhe. Man konnte nie wissen!
Eine Tür wurde zugeknallt, er zuckte zusammen und spitzte die Ohren, um zu hören, ob Klara sich regte. Wenn sie jetzt bloß nicht aufwachte. Aber im Obergeschoss blieb alles still.
Das waren natürlich Gruntzéns. Stritten sie?
Sein Nachbar war Unternehmer und hatte viele Eisen im Feuer, man erzählte sich so einiges. Er hatte unlängst eine junge Thailänderin geheiratet, seine zweite Ehefrau, und das schürte das allgemeine Interesse natürlich ungemein. Die Midlife-Crisis war ihm anzusehen. In dem honiggelben, kaputt sanierten Holzhaus, das nachts so gut beleuchtet war, gab es jetzt wieder kleine Kinder. Vielleicht würde Klara später einmal mit ihnen spielen? Und ihr Geschwisterchen …
Dann kamen die Lokalnachrichten, Östnytt, auf die Claes gewartet hatte. Als Erstes ging es um die neuen Pläne für das Krankenhaus. Er spitzte die Ohren. Das war es ja gerade, was ihm Sorgen bereitete.
Ein Zentrum für nicht akute chirurgische Eingriffe und für Orthopädie sollte am Krankenhaus von Oskarshamn entstehen. Es klang sehr eindrucksvoll, als der Vertreter der Verwaltung die Pläne vortrug, aber Claes meinte genau zu wissen, worum es ging, nämlich darum, Geld zu sparen. Daran war im Grunde genommen nichts auszusetzen. Schließlich durften Steuergelder nicht verschwendet werden, außerdem war es wichtig, eine zufrieden stellende Gesundheitsversorgung für alle zu gewährleisten.
Es war geplant, die Notfallchirurgie zu schließen, deren Bemannung rund um die Uhr sehr kostenintensiv war. Die Patienten aus Oskarshamn sollten die achtzig Kilometer entweder nach Västervik oder nach Kalmar transportiert werden. Im Gegenzug sollten gewisse andere Operationen in Oskarshamn durchgeführt werden, meinte der Mann von der Verwaltung.
Das ist der Anfang vom Ende, dachte Claesson. Die Chirurgen und Orthopäden in Kalmar und Västervik würden nichts dagegen einzuwenden haben, ihr Revier zu erweitern. So waren die Menschen nun mal. Freiwillig würden sie keine Patienten abtreten.
Die Frage war, ob es sich Veronika zumuten würde, täglich 160 km nach Kalmar oder Västervik zu pendeln, und das mit einem weiteren Kind!
Umzuziehen erschien nicht sonderlich verlockend. Sie würden vermutlich nie mehr so ein schönes Haus wie dieses finden. Er betrachtete es gleichsam aus der Ferne wie in der Anzeige eines Maklers. Charmant, mattgelb, aus Holz mit hübschen, altmodischen Fenstern. Einen Augenblick lang vergaß er, dass er gelegentlich gestöhnt hatte. Das ist keine verlorene Liebesmühe gewesen, dachte er und vergaß, dass Holzhäuser praktisch ständig frisch gestrichen werden mussten,
Weitere Kostenlose Bücher