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Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster

Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster

Titel: Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Wahlberg
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Himmels willen!
    Er hob den Pappkarton vorsichtig hoch, trug ihn in den zweiten Stock und stellte ihn behutsam auf seinen Schreibtisch.
    Auf dem Korridor traf er Lena Jönsson in Uniform. Lena mit dem blonden Pferdeschwanz.
    »Komm mal mit rein!«
    Widerwillig folgte sie ihm in sein Büro. Sie wartete auf Mustafa Özen, mit dem sie auf Streife sollte. Dennoch beugte sie sich nun über den Karton und blickte voller Erstaunen hinein.
    Dann sagte sie:
    »So was Kleines.«
    Sie wusste nicht, was sie sonst noch hätte sagen sollen. Stattdessen griff sie in den Karton und fuhr mit einem Finger vorsichtig über die winzige Wange.
    Das Kind reagierte. Es sah sie mit dunklen Augen an.
    Da kam Lena Jönsson zu sich.
    »Meine Güte, wo hast du es gefunden?«, rief sie.
    Vorwurfsvoll sah sie Peter Berg an, ungefähr so wie eine Mutter, deren Sohn schon wieder Frösche oder Regenwürmer gesammelt hatte.
    »Hinterm Haus. Der Karton stand so, dass er nicht zu übersehen war. Erst bin ich daran vorbeigegangen, aber dann habe ich ein Geräusch gehört und geglaubt, es seien ein paar ausgesetzte Kätzchen.«
    »Fast wie früher«, meinte Lena etwas versöhnlicher. »Ein kleines Findelkind!«
    Sie beugte sich wieder über den Karton. »Was sollen wir tun?«, fragte sie dann und sah ihn an.
    Er zuckte mit den Achseln.
    »Keine Ahnung. Vermutlich müssen wir das Jugendamt anrufen. Die sollen sich darum kümmern.«
    »Worum, um das Kind?«
    »Ja.«
    »Ist es ein Junge oder ein Mädchen?«
    »Hast du noch mehr Fragen, die ich nicht beantworten kann? Ich habe das Balg ja gerade erst gefunden«, erwiderte er.
    Sie sah ihn missbilligend an.
    »Ich meine, das Kind«, berichtigte er sich.
    Peter Berg war froh, dass die Verantwortung nicht allein bei ihm lag. Lena Jönsson fuhr fort, mit dem Kind zu plappern.
    »Na, mein Kleines, kümmert sich niemand um dich?«, sagte sie und gab dem Kind einen Finger in die Hand. »Jedenfalls frierst du nicht. Deine kleine Hand ist warm.«
    »Hast du viel mit Kindern zu tun?«, fragte Peter Berg.
    »Nein«, sagte sie und hob die Decke an. »Meine Güte, wie klein! Fast wie ein Neugeborenes.«
    Peter Berg hatte bisher erst ein Neugeborenes gesehen, und das war ein Frühchen gewesen. Die kleine Tochter von Sara. Er hatte Sara im Zusammenhang mit einer Mordermittlung kennengelernt. Das Opfer war ein Arzt gewesen. Er hatte erschossen in der Sommerhitze dagelegen. Kein hübscher Anblick und auch kein angenehmer Geruch. Er bekam immer noch eine Gänsehaut, wenn er daran dachte.
    Jetzt betrachtete er mit einer Mischung aus Zärtlichkeit und Entsetzen das kleine Wesen. Der Kopf bewegte sich in der zu großen weißen Mütze. Der Strampelanzug schien neu zu sein. Er war aus rotem Frottee, die Beine waren zu lang. Das Kind war sauber gekleidet und lag auf einem gelbweiß karierten Laken.
    Plötzlich stand Musse Özen in der Tür.
    »Was macht ihr da?«
    Er schaute in den Karton und pfiff leise.
    »Unglaublich!«
    Am Fußende lag eine Plastiktüte. Sie öffneten sie. Windeln, ein Fläschchen und eine Schachtel Babynahrung.
    Das Kind begann zu schreien. Die kleine Stirn war auf einmal so runzlig wie die eines alten Mannes. Es stieß leise Geräusche aus, während sich sein Mund öffnete und wieder schloss.
    Die Beamten sahen sich erschreckt an.
    »Was machen wir jetzt?«, wollte Peter Berg wissen.
    »Wir rufen sofort das Jugendamt an«, meinte Lena Jönsson.
    »Nehmt es doch raus«, schlug Musse vor.
    Sie sahen sich an, und jeder wartete darauf, dass einer der anderen die Initiative ergreifen würde.
    Lena Jönsson hatte sich das Telefon auf dem Schreibtisch geschnappt und wandte den anderen den Rücken zu. ’
    »Bitte das Jugendamt!«
    Da streckte Musse die Hände aus und hob das Kind hoch. Bevor er es an die Brust drückte, zögerte er jedoch. Seine Uniform war aus einem groben Stoff.
    »Ich habe so unpraktische Sachen an«, meinte er. »Besser, du nimmst sie.«
    Er hielt Peter Berg, dem Einzigen im Zimmer in Zivil, das Kind hin.
    Peter Berg sah ein, dass wieder einmal das Sprichwort passte, die Not kennt kein Gebot. Er nahm das warme Paket entgegen und setzte sich sicherheitshalber auf den Schreibtischstuhl. Er drückte das Kind vorsichtig an die Brust.
    »Woher willst du wissen, dass es eine Sie ist?«, fragte er Musse.
    Lena Jönsson stand am Fenster und versuchte beharrlich jemanden beim Jugendamt zu erreichen.
    »Keine Ahnung. Vielleicht weil der Strampelanzug rot ist«, meinte Musse Özen.
    Das Kind war an der

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