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Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster

Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster

Titel: Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Wahlberg
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ins Auto und saß ganz benommen am Steuer. Sie holte ein paarmal tief Luft, bevor sie den Zündschlüssel herumdrehte. Heute halte ich keinen einzigen Menschen mehr aus, dachte sie. Von Trauer und Elend habe ich genug.
     
    Veronika schloss auf. Es war stickig und warm. Sie zog Klara die Jacke aus.
    Es wurde bald Abend. Sie ließ den Kopf hängen. Es half nichts, dass sie sich sagte, dass alles seine Zeit hatte.
    Sie konnte nicht einfach so verschwinden, was wahrhaftig eine Befreiung gewesen wäre. Sie hätte nicht gewusst, wohin sie fliehen sollte.
    »Denk daran, dass Arbeit nur Arbeit ist«, hatte die Psychologin freundlich zu ihr gesagt, als sie sich zufällig vor der Kantine begegnet waren. »Arbeit ist nicht das Wichtigste im Leben.«
    »Nein«, hatte Veronika lahm erwidert und höflich gelächelt.
    Ich bin da anderer Meinung, dachte sie. Arbeit war wichtig. Im Augenblick verlangte ihr das Krankenhaus alles ab, es belagerte sie förmlich, und das war nicht unwichtig. Sie wusste, dass sie im Augenblick das Gefühl für Proportionen verloren hatte. Sie konnte sich ihre Diagnose selbst stellen.
    Sie sah ein, dass sie abwarten musste, bis sie wieder Nuancen erkennen konnte und nicht alles nur grau war.
    Bis dahin musste sie durchhalten.
    Sie setzte sich auf die Toilette, hatte die Tür aber einen Spalt offen gelassen, um Klara hören zu können. Nein, Arbeit war nicht alles, damit versuchten sie natürlich im Augenblick alle zu trösten.
    Sie spülte und knallte den Klodeckel zu. Sie fühlte sich wie gelähmt, und eine diffuse Übelkeit überkam sie. Wütend drehte sie den Wasserhahn auf und ließ Wasser über ihre Hände laufen. Als sie sich im Spiegel musterte, zuckte sie zusammen. Rasch sah sie weg, trocknete die Hände ab und ging nach draußen, um nach Klara zu sehen.
    Klara saß mit einem Puzzle auf dem Teppich vor dem Sofa im Wohnzimmer. Glücklicherweise war sie ein pflegeleichtes Kind.
    Veronika packte Klaras Kindergartentasche aus und grübelte weiter. Alles hatte Vor- und Nachteile. Sie war sich bewusst, dass sie einen Beruf hatte, um den sie viele beneideten. Daran klammerte sie sich fest. Sie genoss das Privileg, eine Arbeit zu haben, die selten sinnlos war. Sie war wirklich stolz darauf, Ärztin zu sein! Es hatte gedauert, bis sie akzeptiert hatte, dass sie selbstbewusst sein durfte, ohne dass das gleich überheblich war.
    Das hatte sie sich schon oft gesagt. Ihr Verhältnis zu ihrer Arbeit war nicht immer gleich gewesen. Als junge Studentin hatte sie manchmal sogar gelogen, wenn sie irgendwelche neuen Typen kennengelernt hatte, und behauptet, sie würde Sprachen oder Literaturgeschichte studieren. Sie war da nicht die Einzige gewesen. Als Frau Medizin zu studieren war abschreckend. Auch Dan, ihr erster Mann, hatte damit nicht umgehen können. Als sie daran dachte, wurde sie immer noch wütend.
    Ihre ehemalige Schwiegermutter hatte Cecilia in Orup besuchen wollen. Heute?
    Egal! Cecilia und ihre Großmutter sollten selbst sehen, wie sie klarkamen.
    Das auch noch wäre ihr jetzt zu viel. So war es einfach.
    Sie ging in die Küche. Machte kein Licht. Hätte sie nicht gewusst, dass sich ein neues Leben in ihr einrichtete, hätte sie eine Kopfschmerztablette geschluckt. Sie hatte das Gefühl, ihr Kopf stecke in einem Schraubstock. Eine Tablette half aber ohnehin nicht bei einem verspannten Nacken. Vielleicht sollte sie ein Bad nehmen? Mit Klara? Schaumbad?
    Sie hatte jedoch nicht die Kraft dazu. Sie öffnete das Küchenfenster einen Spalt, um frische Luft hereinzulassen, und blickte sich in der Küche um.
    Um Gottes willen!
    Die Sonne ging gerade unter, aber sie musste nicht einmal Licht machen. Die Spuren des Wochenendes, an dem sie beide gearbeitet hatten, waren nicht zu übersehen. Die Unordnung schlug ihr entgegen, und sie war hundemüde. Diese Kombination versetzte sie in einen gefährlichen Gemütszustand. Ohnmächtig starrte sie auf das Durcheinander und fühlte sich vollkommen erledigt.
    Als sie den Küchentisch näher in Augenschein nahm, rastete sie aus. Das ist zu banal, dachte sie. Das ist lächerlich. Frauen rasten nicht wegen sudeligen Küchentischen aus, wenn sie aus dem Tritt geraten sind.
    Trotzdem tat sie es.
    Sie weinte nicht und schrie nicht, nur eine stumme Wut erfüllte sie. Sie trat einen von Klaras Stiefeln beiseite, der mitten auf dem Flickenteppich lag. Im Übrigen war nicht sie die Person der Familie mit dem größten Ordnungssinn. Das war Claes, und der war als Letzter gegangen.

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