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Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster

Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster

Titel: Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Wahlberg
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war.
    Trotzdem hatte sie eine Mauer des Schweigens umgeben, alle hatten sich im Stillen ihre Gedanken gemacht. Sie ging davon aus, dass hinter ihrem Rücken getuschelt wurde und dass es Leute gab, die ihre Eignung zur Chirurgin und ihre Kompetenz in Zweifel zogen.
    Es gab immer Kollegen, die glaubten, dass sie alles so viel besser gekonnt hätten. Man konnte leicht kritisieren, wenn man selbst nicht das Skalpell geführt hatte.
    »Wir müssen das Resultat abwarten«, hatte Sundström kühl und neutral gemeint und ihr zum Abschluss der Morgenbesprechung freundlich zugenickt.
    Was gab es noch zu sagen? Die Obduktion würde hoffentlich bestätigen, dass sie am Tod der Patientin keine Schuld trug. Sie hatte die Verletzung mit gutem Ergebnis operiert. Es war ganz klar, dass etwas nicht stimmte. Das beunruhigte sie zutiefst.
    Aber bis zum Eintreffen des Obduktionsberichts musste sie sich damit abfinden, dass sie sich auf sehr dünnem Eis bewegte.
     
    Der Arbeitstag hatte mit den Routineaufgaben begonnen, und das war eine Befreiung gewesen und hatte ihre Gedanken ein wenig zerstreut. Als die Morgenvisite ihrem Ende zugegangen war, hatte die Stationsschwester sie auf dem Gang angesprochen und darum gebeten, mit der neuen Pflegehelferin ein paar Worte unter vier Augen zu wechseln.
    »Ihr ist der Vorfall sehr nahe gegangen«, hatte die Stationsschwester mit großen Augen und Grabesstimme gesagt.
    Ihr also auch …
    Als würden alle die Gelegenheit nutzen, wenn sie sich bot, dachte Veronika. Dass sie selbst nicht ganz in Form war, müssten die anderen eigentlich begreifen. Das taten sie auch, aber niemand hatte offenbar die Absicht, darauf Rücksicht zu nehmen, bevor sie sich nicht selbst wehrte. Schließlich wandten sich alle immer Hilfe suchend an diejenigen, die Ärztekittel trugen.
    Natürlich hatte sie darüber nachgedacht, ob Charlotte Eriksson die falschen Medikamente bekommen hatte. Oder eine Überdosis. War etwas verwechselt worden?
    Die Gerichtsmedizin stellte natürlich toxikologische Untersuchungen an. Hatte Charlotte Eriksson eine tödliche Überdosis bekommen, würde sich das nachweisen lassen.
    Veronika hatte die Krankenschwester aufgesucht, die für die Medikamente verantwortlich gewesen war, ehe die Visite begonnen hatte. Sie waren zum Medikamentenschrank gegangen und hatten sich die Präparate angesehen. Genauer gesagt hatte die Schwester sie mit eigenen Augen anschauen lassen, was es dort gab, weil sie bereits selbst alle Pillen und Ampullen durchgezählt hatte. Morphium käme in Betracht, aber Morphium fehlte keins. Alle Entnahmen waren säuberlich notiert, und alles war inzwischen mehrfach durchgezählt worden. Die Polizei hatte auch schon eine Kopie der Bestandsliste angefordert, falls es ein rechtliches Nachspiel geben würde.
     
    Veronika holte die junge, neu angestellte Pflegehelferin namens Sara-Ida. Ein ungewöhnlicher, hübscher Doppelname. Ihr fiel sofort die beispiellose Schönheit der jungen Frau auf. Dass das Leben so ungerecht sein konnte. Harmonische Züge, glatte Haut, hohe Wangenknochen, ein geschwungener Mund, keine herabhängenden Mundwinkel. Grünbraune Augen, die etwas orientalisch wirkten. Das rötlich braune Haar zu einem Zopf geflochten.
    »Das war wirklich außerordentlich bedauerlich«, begann Veronika freundlich.
    Die junge Frau machte eine Vertretung als Pflegehelferin. Sie hatte nichts mit den Medikamenten zu tun, dafür umso mehr mit den Patienten. Oft hatten die Pflegehelferinnen den intensivsten Kontakt mit ihnen.
    Veronika berichtete sachlich, wie die Operation verlaufen war. Sie versuchte, Sara-Ida einen objektiven und sachlichen Eindruck zu vermitteln, während es ihr bereits vor der Begegnung graute, die ihr später bevorstand. Um eins hatte sie einen Termin mit Harald Eriksson.
    Die junge Frau hörte aufmerksam zu.
    »Wir haben natürlich damit gerechnet, dass die Patientin wieder gesund und entlassen werden würde«, sagte sie. »Aber es kam anders.«
    Sara-Ida knetete die Hände im Schoß.
    »Das war doch nicht etwa meine Schuld?«, murmelte sie dann.
    Tut sie nur so, oder hat sie wirklich etwas zu bereuen?, überlegte Veronika. Sara-Ida schaute aus dem Fenster, und Veronika fielen die Ringe um ihre Augen auf. Sie hatte plötzlich eine Vorstellung davon, wie Sara-Ida als alte Frau aussehen würde. Auf fast unheimliche Weise vereinigten sich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu einem einzigen Augenblick. Veronika wurde von der Vergänglichkeit und der kurzen

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