Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster
Er hatte die Butter in den Kühlschrank gestellt, aber das war auch alles gewesen.
Sie war niemand, der tausend Eisen im Feuer hatte, Bezüge für Stühle selbst nähte und überall frische Blumen in Vasen aufstellte, obwohl sie sich manchmal wünschte, auch eine häusliche Seite zu besitzen. Auf diesem Gebiet wies sie große Defizite auf. Sie schämte sich, als sie daran dachte, dass sie manchmal nicht einmal geputzt hatte. Und das war kein Protest gegen den diskreten Charme der Bürgerlichkeit gewesen. Sie hatte es auch nicht als Ausdruck eines Bohemelebens verstanden. Es war überhaupt kein Protest gewesen. Sie hatte einfach nicht gekonnt. Und eine Putzfrau hatte sie sich damals nicht vorstellen können. Um seinen Dreck kümmerte man sich schließlich selbst!
Als sie mit Claes zusammengezogen war, war das Problem eher das Gegenteil gewesen. Er war es gewohnt, dass alles immer klinisch sauber und maskulin nüchtern war, polierter Chrom und schwarzes Leder. Er hatte eine mühsame Entwöhnungskur hinter sich. Die Alternative war eine Putzfrau, aber das war eine heikle Frage.
Bei einem Kriminalkommissar konnte es keine Schwarzarbeit geben.
»Aber alle haben doch eine schwarze Putzfrau«, hatte Veronika protestiert, die, was das Putzen anging, inzwischen nicht mehr ganz so kategorisch war.
»Nie im Leben!«, hatte er geantwortet.
Damit war dazu alles gesagt gewesen. Das Dilemma der Doppelmoral.
Sie waren sich zumindest darin einig, dass man Konflikten nicht auswich. Sie liebten sich so sehr, dass sie nicht mit dem Rumoren eines herannahenden Erdbebens unter den Füßen leben wollten. Daran erinnerte sie sich jetzt, während sie wutschnaubend dastand.
Es war jedoch nicht einfach, im Alltag immer ehrlich zu sein. Denn wer wollte schon den Familienfrieden stören, wenn man es sich endlich vor dem Fernseher bequem gemacht hatte? Konflikte waren immer ungemütlich.
Wann hätten sie sie sonst austragen sollen? Für Streitigkeiten gab es keine passenden Zeitpunkte, nur unpassende. Sie war daher sehr tüchtig, was das Verschweigen anging. Sie musste aufpassen, dass sie nicht immer darauf zählte, dass Claes, der sehr gut Gedanken lesen konnte, erriet, was sie auf dem Herzen hatte, wenn sie sich entschied zu schweigen.
Er hatte sich an ihre entspannte Einstellung zur Hausarbeit gewöhnt, kam es ihr in den Sinn. Sie füllte die Waschmaschine und riss dann die trockene Wäsche von der Leine. Er tat einfach nur noch das, was er gerne tat.
Wie eine frustrierte Furie rannte sie herum und hob Spielzeug und Kleider vom Fußboden auf. Sie war ungerecht, das wusste sie. Aber diese Ungerechtigkeit war auch eine Befreiung, jedenfalls eine Weile lang.
Und vor allen Dingen jetzt.
Bei der Arbeit hatte sie sich keine Minute entspannen können. Sie hatte den ganzen Tag Stress gehabt. Alle waren zwar nett gewesen, hatten sie aber angezweifelt. Und die ständigen Fragen hatten ihr einen steifen Nacken eingetragen.
Hatte sie nicht doch etwas übersehen, als sie die Schusswunde operiert hatte?
Sundström hatte ihr diese Frage bei der Morgenbesprechung als Erster gestellt.
»Soweit ich weiß, nicht«, hatte sie geantwortet. Sie war bleich gewesen. »Sonst hätte ich etwas unternommen.«
»Du hast die Operation doch recht spät in der Nacht begonnen. Wir wissen alle, dass es ermüdend ist, um diese Tageszeit so lange zu stehen«, hatte Sundström gemeint, allerdings nicht bösartig.
»Man reißt sich eben zusammen«, hatte sie sich verteidigt. »Das Adrenalin hält einen auf den Beinen. Das wisst ihr genauso gut wie ich!«
Alle hatten auf ihren Stammplätzen in der Bibliothek gesessen und sie angestarrt. Niemand hatte Lust gehabt, die Routinefälle vorzutragen. Nicht jetzt, wo die große und unvorhergesehene Katastrophe eingetreten war.
»Wir sind alle auf deiner Seite, nur dass du das weißt«, hatte Ronny Alexandersson gesagt, und Veronika war einen Augenblick lang ganz gerührt gewesen.
Zum Glück hatte sie ihn. Ihr fehlte Else-Britt Ek, die Urlaub hatte. Sie hätte mit ihr in Ruhe beratschlagen wollen. Eigentlich war es vollkommen in Ordnung, dass Fragen und Zweifel zur Sprache gebracht wurden, man durfte nichts außer Acht lassen. Das kostete zwar Nerven, aber gehörte dazu, und es war eine große Erleichterung gewesen, dass die Gruppe überschaubar und die Tür geschlossen gewesen war.
Veronika hatte Rückendeckung bei Daniel Skotte gesucht, und dieser hatte bestätigt, dass die Operation vollkommen reibungslos verlaufen
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