Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster
größter Wahrscheinlichkeit war in diesem Fall also eine Pistole verwendet worden. Wenn die Waffe erst kürzlich von einem illegalen Waffenhändler erworben worden war, dann handelte es sich wahrscheinlich um eine jugoslawische Pistole. Aber eine Person, die nicht über illegale Kontakte verfügte und auch keine Waffe legal kaufen konnte, musste sich mit irgendwelchen Erbstücken zufriedengeben, die aus dem Zweiten Weltkrieg übrig geblieben waren. Diese Waffen wurden häufig sorgfältig gepflegt, damit sie ihren Wert nicht verloren. Alte Waffen waren aber nur selten so wertvoll, wie ihre Besitzer glaubten, betonte der Experte. Einigen vermittelte eine Waffe ein Gefühl der Sicherheit, bei anderen stärkte sie das Selbstvertrauen. Häufig tauchten solche Waffen auf, wenn eine Waffenamnestie ausgerufen wurde. Die letzte Waffenamnestie hatte es 1993 gegeben, eine neue war für das Frühjahr 2007 geplant.
Louise schrieb rasend schnell mit.
Manche Familien verfügten also über alte Waffen, fuhr der Techniker fort, die häufig auftauchten, wenn Speicher entrümpelt wurden. In Norwegen und Finnland waren solche Waffen bedeutend häufiger, dort war der Besitz solcher Waffen erlaubt, wenn sie funktionsuntüchtig waren. Es kam vor, dass sie in Schweden auftauchten und wieder in Stand gesetzt worden waren. Das war ein großes Problem.
Aus Perspektive des Benutzers waren Waffen vorzuziehen, die sich bequem in der Tasche tragen ließen. Eine nicht zu sperrige Waffe also, für die es moderne Patronen gab und die keinen zu starken Rückstoß hatte.
»Ein Beispiel ist die erste Pistole auf der Liste, eine FN 1910, Kaliber 7,65 mm mit einem Magazin für sieben Patronen, Vollmantelgeschosse. Diese Waffe wurde am 28. Juli 1909 von der Fabrique Nationale de Herstal bei Lüttich in Belgien patentiert. Sie hat einen harmlosen Rückstoß, ist einfach in der Bedienung und sehr zuverlässig.«
Er fuhr mit der nächsten Pistole fort, der Mauser HSc mit demselben Kaliber und mit einem Magazin für acht Patronen. Von ihr waren seit dem Zweiten Weltkrieg ebenfalls illegale Exemplare im Umlauf. Das galt auch für die Beholla mit sieben Patronen im Magazin, von Becker & Holländer in Deutschland hergestellt.
Plötzlich wurde sich Louise der Tatsache bewusst, dass sie immer noch nicht die geringste Ahnung hatten, um was für einen Täter es sich handeln könnte. Sie waren bisher nie so weit gekommen, sich mit dieser Frage auseinandersetzen zu können. Sie waren immer davon ausgegangen, dass es sich um einen Irrtum gehandelt haben musste, dass diese unbescholtene Frau mittleren Alters niedergeschossen worden war. Ein einziger Schuss, der nicht tödlich gewesen war.
Wie gut war der Schütze gewesen? Vielleicht war es auch ein Stümper, der ein Familienerbstück auf einem småländischen Speicher oder in einer Scheune ausgegraben hatte.
Verrückte hatte es schließlich immer gegeben …
11
Es war herbstlicher geworden. Sara-Ida Ström trottete hinter Harriet Rot auf der Station her. Der Vorfall machte ihr immer noch zu schaffen, wie sehr sie auch versuchte, ihn zu vergessen. Es war ein Mittwoch Mitte Oktober, und über eine Woche war vergangen, seit das Schlimme geschehen war.
Daniel Skotte hatte sie getröstet, wenn sie sich begegnet waren. Viel mehr konnte sie eigentlich nicht verlangen, aber trotzdem reichte es nicht. Sie brauchte ständig mehr.
Jeden Tag erwachte sie mit einer verzehrenden Sehnsucht. Sie musste auch heute mit ihm sprechen, wollte ihm gegenübersitzen.
Die Gedanken an ihn waren wie ein Fieber. Selbstlos und zärtlich, ein Märchenprinz, den sie in ihren Tagträumen rund um die Uhr an ihrer Seite sah. In seiner Nähe war das Leben großartig und wundervoll. Sie konnte nicht mehr ohne ihn sein. Er hatte sich zu ihr vorgebeugt und in ihre Augen geschaut, aber ohne mit ihr zu flirten. Er hatte sie kurz zum Abschied umarmt, jedoch ohne sie an sich zu drücken. Sie hatte gar nicht gewusst, dass es solche Männer gab.
Aber heute war er nicht aufgetaucht. Es war auch ein trüber Tag, ein ungemütlicher Wind schlug gegen die Fensterscheiben, und es goss so heftig, dass man draußen kaum noch die Hand vor Augen sehen konnte. Die Autos auf der Straße mussten anhalten, weil die Scheibenwischer mit dem Regen nicht fertig wurden.
Nun war es richtig Herbst, das seltsam milde Wetter war vorüber. Sie machte sich schon jetzt Gedanken darüber, wie sie nach Hause kommen sollte. Wieder bei strömendem Regen radeln wie schon am
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