Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 07 - Tödliche Geschäfte
hatte.
Ergün hatte am Vortag ihn zu erreichen versucht, wie er dem Display seines Handys hatte entnehmen können. Er hatte aber am Montag alle Hände voll damit zu tun gehabt, alles für die Reise vorzubereiten.
Erst holte er auf dem schwedischen Generalkonsulat an der İstiklal Caddesi sein Visum ab, dann kaufte er in den Läden in Beyoğlu ein, wo er nun schon einmal dort war. Neue Jeans, schicke Turnschuhe, ein paar Sweatshirts, einen wärmeren Pullover. Die Vorbereitungen nahmen einen ganzen Tag in Anspruch. Eine neue Reisetasche kaufte er auch. Qualität. Er wollte nicht in Lumpen bei seinen Cousins in Schweden eintreffen.
Deswegen war er am Vortag nicht bei der Arbeit erschienen. Er hatte mit anderen Worten geschwänzt.
Das Flugzeug hatte seine geplante Flughöhe erreicht. Der Wagen mit den Getränken war vorbeigerumpelt. Er hatte einen Orangensaft genommen, dann aber eingesehen, dass sein Magen die Säure nicht verkraften würde, und das Glas stehen lassen. Er musste etwas essen, dann würde sich sein Magen schon wieder beruhigen. Huhn und ein vegetarisches Nudelgericht standen laut Speisekarte zur Wahl. Er würde das Huhn nehmen.
Dann wollte er versuchen zu schlafen.
Als er in Kastrup gelandet und auf dem Weg zum Gate war, sah er mehrere Polizisten dahinter stehen. Mindestens vier. Zwei davon weiblich, schlank, groß und blond. Er hatte sich sagen lassen, dass es viele hübsche Mädchen in Skandinavien gab. So recht konnte er sich im Augenblick allerdings nicht darüber freuen. Bei dem Anblick drehte sich ihm der Magen um, und er verspürte das dringende Bedürfnis, eine Toilette aufzusuchen. Es blieb ihm aber nichts anderes übrig, als sich zu beherrschen.
Er versuchte sich Mut zu machen. Seine Papiere waren in Ordnung. Er besaß einen Pass und ein Visum für vier Wochen. Es gab keinen Grund zur Sorge.
Ergün hatte gemeint, er könne sich glücklich schätzen, da nicht einmal Leute, die todkranke Angehörige in Schweden hatten, ein Visum erhielten. Er hatte auch erzählt, dass Europa sich sträubte, die Türkei in die EU aufzunehmen. »Die wollen uns nicht«, hatte Ergün mit düsterer Miene gesagt. »Warum sollen wir also zu ihnen fahren? Hier zu Hause in der Türkei kann es nur besser werden! Bleib hier! Kämpfe für unser eigenes Land. Wir kommen auch ohne EU klar.«
Jetzt war er bald an der Reihe. Nicht alle wurden zwecks eingehender Überprüfung angehalten, zumindest jene mit westeuropäischem Aussehen nicht.
Er näherte sich einer der beiden Beamtinnen. Er hielt ihr seinen Pass aufgeschlagen unter die Nase, aber sie stoppte ihn.
»Politi« stand auf ihrer Brust. Sie war so groß, dass sie beinahe auf ihn herabschaute. Sie blätterte in seinen Papieren und fragte etwas, er verstand sie zuerst nicht, aber dann begriff er, dass sie auch sein Ticket für den Rückflug sehen wollte. Er zog es aus der Tasche und reichte es ihr mit schweißnassen Fingern.
»To Sweden?«, fragte sie.
»Yes.« Er nickte. »To Sweden.« Das stand im Visum.
Sie wandte sich an einen ihrer Kollegen. Das war unbehaglich, das hatte sie bisher bei keinem anderen getan. Sie griff zu ihrem Funkgerät und sprach in ihrer unverständlichen Sprache hinein.
Jetzt mache ich in die Hose, dachte er und kniff seine Pobacken so fest zusammen, wie er nur konnte.
»Please stay here«, sagte sie, behielt Pass und Papiere und ließ ihn neben der Schlange stehen, die sich langsam Richtung Terminal weiterbewegte.
»Toilet!«, sagte er hektisch.
Aber sie ignorierte ihn.
Er wiederholte seine Bitte, aber jetzt lauter und nachdrücklicher. Jeden Augenblick konnte es zu spät sein. Offenbar deuteten sie seine panische Miene jetzt richtig. Die fremde Sprache pfiff über ihn hinweg wie die Salve eines Maschinengewehrs, und eine Angestellte der Fluggesellschaft erbarmte sich seiner.
Als er die Toilette verließ, war er etwas ruhiger. Aber nicht lange, denn jetzt sah er sich zwei anderen Beamten gegenüber, die ihn an den Armen packten und sagten, er solle mitkommen. Wie einen Verbrecher schleppten sie ihn weg. Genauer gesagt, durfte er selbst gehen. Er war gefügig wie ein Lamm.
Sie gelangten in ein Zimmer mit Aussicht auf einen großen Parkplatz. Hier saßen mehrere Polizisten. Zwei Männer in Zivil erhoben sich und kamen auf ihn zu.
»Sind Sie Ilyas Bank?«, fragte der eine auf Türkisch.
»Ja.«
»Wir sind von der schwedischen Polizei.«
Sein Herz begann wild zu hämmern. Was war passiert? Was hatte er getan? Und Miro wartete
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