Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 07 - Tödliche Geschäfte
auf.
Jetzt hatte er es eilig. Er ging zur Tünel, kaufte einen Jeton an der Kasse. Dann stieg er in den Wagen, der ihn unterirdisch an den Fuß des Berges brachte. Die beiden Bahnhöfe waren mit hübschen Wandfliesen gekachelt.
In Karaköy im Galataviertel stieg er aus. Die Stadt war schon vor Stunden erwacht, aber der Morgendunst lag immer noch über dem graugrünen Wasser des Goldenen Horns. Mit raschen Schritten ging er auf die Galatabrücke zu und an den Anglern vorbei, die sich über das Geländer beugten. Es herrschte nur wenig Verkehr.
Er sah, wie seine eigene Fähre vom Bosporus her auf den Kai in Eminönü zustrebte. Plötzlich fühlte er sich nicht mehr wohl in seiner Haut. Man würde ihn zur Rede stellen. Er musste sich eine Entschuldigung einfallen lassen. Dass er verschlafen hatte, musste als Erklärung genügen, fand er. Eine kompliziertere Entschuldigung würde nur Misstrauen erwecken, das war ihm klar.
Er näherte sich dem anderen Ende der Brücke, Sultanahmet. Ihm stieg der Duft von gegrilltem Fisch in die Nase, und er merkte, dass er schon eine ganze Weile nichts mehr gegessen hatte. Er schlenderte auf einen Mann zu, der mit geröteten Augen neben seinem Grill stand, und kaufte einen frisch gegrillten Fisch in einem Stück Weißbrot und eine Fanta. Er hatte nicht genug Muße, um sich an einen der niedrigen Tische zu setzen, sondern aß, während er auf die MS Tirowor zuging.
Die Passagiere verließen gerade das Schiff. Satt und zufrieden ging er die Gangway hoch. Er fühlte sich beobachtet, als er auf seinen Stand zuging. Er hatte es vermieden, zum Kiosk hinüberzuschauen.
Gerade als er den Samowar mit Wasser füllte, spürte er einen Finger im Rücken. Er drehte sich um.
»Wo warst du?«, fragte Ergün.
»Verschlafen«, antwortete er.
Obwohl er diese Antwort auf dem breiten Kai von Eminönü unzählige Male geübt hatte und wusste, dass es verzeihlich und menschlich war, gelegentlich zu verschlafen, wurde er tiefrot im Gesicht.
»Aha«, sagte Ergün nur und ging zu seinem Kiosk zurück.
Das kam ihm fast zu einfach vor.
Dann hob er die Platte in seinem Tresen an und fasste mit der Hand darunter. Ganz hinten lagen immer noch die Scheine, die er versteckt hatte und die nicht einmal die Spürhunde entdeckt hatten.
Falls die Polizei überhaupt Hunde an Bord gebracht hatte. Er wusste es nicht. Rauschgifthunde? Der tote Schwede war vielleicht ein Dealer gewesen? Nicht, dass er wie einer ausgesehen hätte. Aber man konnte nie wissen!
Das alles war sehr spannend, aber vor allen Dingen auch unheimlich.
24
Es war früher Nachmittag. Der Tag schleppte sich dahin. Das Radio lief leise im Hintergrund, und Annelie spitzte die Ohren, um die Lokalnachrichten nicht zu verpassen. Vielleicht würden sie auch heute über Carl-Ivar berichten. Vielleicht gab es etwas Neues?
Sie drehte lauter und hielt den Atem an. Der Sprecher teilte mit, Beamte aus Oskarshamn befänden sich auf dem Weg nach Istanbul. Ihr Herz schlug schneller. Sekunden später kam bereits die nächste Meldung, und sie konnte weiteratmen.
Klavierklänge ertönten aus dem kleinen Transistorradio. Ehe sie leiser gemacht hatte, spülten die schönen Klänge über sie hinweg und ließen ihr Inneres erzittern. Es war Werbung für einen weltberühmten Pianisten, der am Samstag in Kalmar ein Konzert gab.
Sie wollte gerade den Teppich, den sie von der Post geholt hatte, aus dem braunen Papier schälen, aber die unbeteiligt vorgetragene Nachricht über Carl-Ivar, gefolgt von der schmachtenden Musik, hatten sie aus der Fassung gebracht.
Sie brach in Tränen aus. Sie schluchzte. Sie ließ den aufgerollten Teppich, noch umhüllt von einer schützenden Plastikfolie, an den Tisch gelehnt stehen und wischte sich die Tränen mit dem Handrücken ab. Hoffentlich kommt jetzt niemand herein, dachte sie.
Aber was hätte das schon für eine Rolle gespielt? Alle wussten, was geschehen war. Birgitta hatte erzählt, dass bei ihr im Holmhällevägen unzählige Blumensträuße abgegeben worden waren. Vier große Sträuße wurden auch im Teppichgeschäft von Kunden abgegeben, die kondulieren wollten. Sie stellte einen Strauß auf den Tisch und die anderen drei in die Schaufenster. Die Blüten leuchteten in der Sonne, es waren Rosen, Lilien und Wicken einer robusteren Sorte, die vermutlich aus dem Ausland kam.
Einfache und schöne Sträuße, die einen wunderbaren Duft verströmten.
Sie hatte ein gerahmtes Foto von Carl-Ivar in das eine Schaufenster gestellt.
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