Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 07 - Tödliche Geschäfte
mit drei kleineren Kronen darunter. Schon seit gestern hatte er Magenschmerzen vor Nervosität, aber er musste einfach dorthin.
Vor einer guten halben Stunde, um Punkt neun Uhr, war er durch das schwarze Tor getreten. Das Konsulat lag zentral am Ende der langen Geschäftsstraße Istiklal Caddesi, direkt neben Tünel, die ihn später rasch durch den Berg befördern würde, damit er nicht noch einen weiteren Fährabgang versäumte.
Er würde auch so schon genug Ärger mit Ergün bekommen. Gespielt gleichgültig würde Ergün ihn ausfragen. Er konnte ihm natürlich nicht erzählen, dass er sich aus dem Staub machen wollte. Sie durften die Stadt zurzeit nicht verlassen und mussten sich zur Verfügung halten. Das hatte ihnen die Polizei mitgeteilt.
Andererseits verband sie die Tatsache, den toten Mann gefunden zu haben, und das war keine Kleinigkeit. Ergün hatte die Möwen ebenfalls schreien hören, und das mit den Möwen war fast das Schlimmste gewesen. Bei dem Gedanken daran wurde ihm ausgesprochen unwohl. Dieses erschütternde Erlebnis schweißte sie zusammen, und das war gut und schlecht zugleich. Es tat gut, mit jemandem, der es selbst auch mit eigenen Augen gesehen hatte, darüber reden zu können, dann brauchte man nicht so viel zu erklären. Man musste sich nicht mit Details aufhalten, wie es auf der Wache mit der Beamtin der Fall gewesen war.
Seiner Schwester hatte er nichts erzählt. Sie hätte sich nur aufgeregt und die Eltern angerufen, das wollte er auf keinen Fall. Die ganze Verwandtschaft würde über ihn herfallen, um ihn zu beschützen, aber auch um jede Einzelheit in Erfahrung zu bringen. Sein Cousin, der ihm die Arbeit besorgt hatte, würde auftauchen, fett und behäbig bei seiner Schwester auf der Couch sitzen und eine Zigarette nach der anderen rauchen, husten und ihn mit dem Blick festnageln. »Du hast doch nichts angestellt?«, würde er fragen. »Denk an mich, an den Ruf der Familie«, würde er sagen. »Du kannst mich in Schwierigkeiten bringen, schließlich habe ich dir den Job besorgt! Unsere Familie war immer ehrlich!«
Nein, ich habe nichts angestellt, würde er lügen.
Vor vielen Jahren zu Hause in seinem Dorf hatte er davon geträumt, im Mittelpunkt zu stehen. Aber jetzt, wo das der Fall war, konnte er sich gar nicht dafür begeistern.
Er wollte nur eins, verschwinden. Er dachte an das Geld. Es berauschte ihn und machte ihm Angst. Er konnte reisen, aber vorher musste er noch einiges regeln.
Im Konsulat kümmerte sich eine wortkarge und abweisende türkische Dame namens Yasemin um die Anträge auf ein Visum. Schweden, die in die Türkei reisten, brauchten kein Visum, aber Türken, die nach Schweden fahren wollten, schon. Das hing mit dem Schengener Abkommen zusammen, erklärte sie.
Er musste unglaublich viele Papiere vorlegen. Aber das würde schon gehen. Er wollte die Verwandtschaft besuchen, erzählte er Yasemin, und drei Wochen in Schweden bleiben.
Sie hob nicht mal ihre geschwungenen Augenbrauen. Natürlich gab es viele Türken, die Verwandte in Schweden hatten. Er solle bloß nicht glauben, er sei etwas Besonderes, schien sie sagen zu wollen. Aber egal, es blieb ihm nichts anderes übrig, als alle Formulare, die sie ihm vorlegte, in Empfang zu nehmen. Als er wieder vor dem Tor stand, sah er ein, dass es einige Tage dauern würde, bis er alles beisammen hatte.
Einen Pass besaß er bereits. Glücklicherweise hatte er ihn nach Istanbul mitgenommen. Zwei Farbfotos stellten auch kein Problem dar. Er musste nachweisen, dass ihm genügend Geld zur Verfügung stand, um für seinen Aufenthalt aufzukommen. Er musste zu einer Bank gehen und die erforderliche Summe, aber nicht mehr, denn das konnte verdächtig wirken, einzahlen. Vielleicht sollte er ein neues Konto eröffnen?
Dann brauchte er eine Abschrift aus dem Familienstammbuch, dem Nüfus, aus der Familienstand, Eltern und Geschwister hervorgingen. Eine Straßenbahn rumpelte die Istiklal Caddesi entlang. Er wartete, bis sie vorbei war, nahm sein Handy aus der Tasche, rief seine Schwester an und bat sie, bei ihrer Mutter das erforderliche Dokument zu beschaffen.
»Was willst du damit?«, wollte sie natürlich wissen.
»Du weißt doch, dass ich schon immer mal verreisen wollte …«
Seine Schwester schwieg, und er hörte nur ihre Atemzüge. Er legte sich schon eine längere Erklärung zurecht, als eines ihrer Kinder zu schreien begann und sie es plötzlich eilig hatte.
»Okay, ich kümmere mich drum«, sagte sie und legte
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