Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 07 - Tödliche Geschäfte
weggeblasen.
»Man weiß nie, wie lange die Frist währt«, meinte die Frau, ohne sentimental zu klingen. »Auf mich wirkte er wie ein guter Mann. Oft gehen die Besten zuerst.«
So kann man es auch ausdrücken, dachte Annelie.
Dann beendeten sie das Gespräch. Mit leerem Blick starrte Annelie aus dem Fenster.
25
Es war Mittwoch und Christoffer Dauns erster Arbeitstag nach dem Wochenende. Am Montag hatte er frei, weil er in der Nacht zuvor arbeiten musste, und am Dienstag war er einfach nicht in der Lage gewesen, ins Krankenhaus zu fahren. Er fühlte sich immer noch lausig, aber jetzt war er wieder in der Klinik, um zu zeigen, dass es ihn noch gab.
Er ging Ronny Alexandersson aus dem Weg, da er ihm nicht alleine begegnen wollte. Bereits bei der Röntgenbesprechung am Morgen war er als Erster aufgestanden und hatte sich vor den anderen im OP-Trakt umgezogen. Grüne Hose, Hemd und Mütze. Er schaute daher früher als sonst in den Operationssaal, was alle positiv überraschte.
»Super! Dann können wir ja gleich anfangen«, sagte die OP-Schwester.
Eine Patientin mit Leistenbruch wurde gerade vorbereitet, die Christoffer selbst einige Wochen zuvor in die Operationsliste eingetragen hatte.
Er stand allein am Waschbecken und band sich den Mundschutz um. Hände und Unterarme hielt er unter fließendes Wasser, dann trocknete er sich ab und rieb Hände und Arme mit Desinfektionsmittel ein, das er trocknen ließ, indem er mit den Armen wedelte.
Bislang war alles reibungslos verlaufen. Er war allen von seiner eigenen Abteilung erfolgreich aus dem Weg gegangen. Die Orthopäden hatten einen eigenen OP am hinteren Ende des Korridors und führten hauptsächlich lange geplante Eingriffe durch, tauschten Hüft- oder Kniegelenke von Patienten aus dem gesamten Bezirk Kalmar aus.
Er betrat den OP.
»Hallo! Wie geht’s?«, begrüßte ihn die OP-Schwester Susanne fröhlich.
»Okay.«
Die Antwort kam nicht sehr überzeugend über seine Lippen, aber das war ihm gleichgültig.
Susanne legte die Instrumente auf ihrem Tisch bereit und stellte ihn auf die richtige Höhe ein. Sie hatte die sterilen Instrumente nach einem ganz bestimmten System sortiert.
Dann half sie ihm beim Anlegen der Operationskleidung. Er nahm auf einem Hocker aus rostfreiem Stahl Platz, die Hände in sterilen Handschuhen auf den Knien und wartete.
Die Patientin hatte bereits die Narkose erhalten. Susanne wusch sie und deckte sie mit Ausnahme des Leistenbereichs mit sterilen hellblauen und hellgrünen Tüchern ab.
Christoffer starrte auf den einschläfernden Sekundenzeiger der Wanduhr. Trotzdem war er nervös. Tageslicht drang durch die Fenster an der Schmalseite des Raumes herein. Hier fühlte sich Christoffer nicht ganz so eingeschlossen. In vielen Krankenhäusern hatten die Operationssäle keine Fenster. Dort hatte man das Gefühl, in einem Bergwerk unter Tage zu arbeiten, fühlte sich eingesperrt und grau.
Susanne war inzwischen fertig und rollte den Instrumententisch heran. Es war verboten, sich als Operateur selbst zu bedienen, da man den Blick nicht von der Wunde abwenden durfte. Die Hand auszustrecken musste genügen, man erhielt, was man benötigte. Oder man bat darum. Susanne war eine routinierte Assistentin, die den Ablauf der Operationen kannte und wusste, was er brauchte, ohne dass er etwas sagen musste. Nie würde er jenes Mal vergessen, als er neu gewesen war und sich ein Skalpell genommen hatte. Er wurde getadelt. Die OP-Schwester, eine richtige Hexe, hatte seine Hand gepackt und so lange zugedrückt, bis er das Skalpell fallen lassen musste. Fast hätte er sich noch daran geschnitten. Das Skalpell lag nämlich stets in Griffnähe, was sehr verlockend war, wenn man ungeduldig war und rasch anfangen wollte.
»Wenn ich bitten darf«, sagte Susanne.
Er erhob sich und stellte sich neben die Patientin. Susanne hatte die schwarzen Striche nicht vollkommen abgewaschen, und er sah, wo er schneiden musste. Sie reichte ihm das Skalpell und er machte den Eröffnungsschnitt.
Die Operation hatte begonnen. Eine ruhige Stimmung lag über dem gesamten OP.
Niemand fragte ihn, warum er zu früh erschienen war. Niemand fragte ihn überhaupt etwas. Seine Hände arbeiteten routiniert.
Er hatte vor, den ganzen Arbeitstag lang um alle einen Bogen zu machen. Aber so konnte es natürlich nicht ewig weitergehen. Das war Irrsinn, so viel war ihm klar.
Er bildete sich ein, dass er Zeit brauchte, um seinen Mut zusammenzunehmen. Wie viel Mut er brauchte, wusste
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