Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 07 - Tödliche Geschäfte
er nicht. Die Beklemmung lag ihm wie ein kalter Klumpen im Magen.
Zu Hause hatte er etwas von Kopfschmerzen und beginnender Grippe erzählt und mit extrem kratziger und belegter Stimme gesprochen. Offenbar glaubte ihm Annelie, obwohl man ausgesprochen selten im Mai an Grippe erkrankte. Aber sie war es gewohnt, dass er nicht immer in Topform war. Dann bemutterte sie ihn, munterte ihn auf und strich ihm das Haar aus der Stirn. Das hatte seine Mutter nie getan, obwohl er sich immer danach gesehnt hatte.
Dieses Mal tat Annelie das allerdings nicht. Sie kommentierte seinen Zustand auch nicht weiter. Als stünde etwas zwischen ihnen.
Das rote zusammengeknüllte Papier! Warum sagte sie nichts?
Oder hatte sie es nicht gesehen? Er wollte sie auch nicht fragen, falls es wirklich so war. Vielleicht war es aus dem Wagen geweht worden, als sie die Tür geöffnet hatte? Nein, das war unwahrscheinlich. Er hatte gesucht, der Zettel lag auf alle Fälle nicht mehr da.
»Pech. Dann musst du halt zu Hause bleiben, bis es dir wieder besser geht«, sagte sie nur, würdigte ihn kaum eines Blickes und berührte ihn erst recht nicht. Keine Umarmung, keine flüchtigen Küsse.
Sie hatte offenbar nur eine Person im Kopf, und zwar den Teppichhändler Olsson. Vermutlich muss man erst sterben, bis einem etwas Aufmerksamkeit zuteil wird, dachte er.
Einerseits fehlte ihm ihre Hand auf seiner Stirn, andererseits auch wieder nicht. Aber er wünschte, es wäre zwischen ihnen so wie sonst. Nicht so angespannt.
Er schämte sich, und das trieb noch einen größeren Keil zwischen Annelie und ihn. Er war selbst an allem schuld. Unausgesprochene Worte lagen in der Luft, und das hatte er sich selbst zuzuschreiben.
Ronny Alexandersson war nicht der Typ, der schlecht über andere hinter deren Rücken redete. Das wusste Christoffer, und darauf verließ er sich. Ronny hatte wenn nötig den Mut, direkt zu sein. Es gab nicht viele, die seine Zivilcourage besaßen. Die meisten schwiegen.
Aber Ronnys Offenheit hatte auch etwas Unentrinnbares. Es gab kein Entkommen. Deswegen zuckte Christoffer Daun auch zusammen, und sein Herz raste, als Ronny plötzlich in der Tür stand.
»Wir sollten diese Geschichte besser so schnell wie möglich hinter uns bringen«, sagte er.
Die Operation war beendet, und Christoffer saß in dem kleinen Büro am Computer und schrieb den Bericht. Er hätte sich lieber aus dem Staub gemacht, aber Ronny blockierte die Tür.
Es blieb Christoffer also nichts anderes übrig, als sitzenzubleiben. Er hatte auch keine Lust, mit Ronny Alexandersson Streit anzufangen. Außerdem wollte er seine Arbeit behalten und nicht irgendwo wieder von vorn anfangen.
»Ich vermute, dass dir klar ist, dass du als Diensthabender zu erscheinen hast, wenn dich eine Schwester wegen einer medizinischen Beurteilung anruft. Du trägst die medizinische Verantwortung«, sagte Ronny, jedoch ohne Vorwurf in der Stimme.
Trotzdem wurde es Christoffer ganz heiß.
Das sind auch nur Worte, zwang er sich zu denken und versuchte zu schlucken. Aber sein Mund war so trocken wie die Sahara. Worte, Worte, Worte. Schlimmer wird es nicht, redete er sich ein.
»Ich habe mit Birgitta Olsson gesprochen … ihr Mann ist übrigens vor kurzem gestorben … du hast das vielleicht in der Zeitung gelesen«, sagte Ronny, und Christoffer nickte, sagte aber nicht, dass seine Frau bei Olsson arbeitete. Das gehörte nicht zur Sache. »Birgitta behauptet, dass sie recht nachdrücklich um dein Erscheinen gebeten habe«, fuhr Ronny fort. »Sie hat das auch im Krankenblatt vermerkt.«
Christoffer nickte erneut. Es war das Einfachste zu gestehen, die Kehle hinzuhalten.
»Birgitta hat Recht«, sagte er und kam sich vor wie ein Held, ein ziemlich zusammengestauchter zwar, aber Reue stand ihm.
Es war seine Schuld, das konnte er auch gleich zugeben. Er war müde gewesen und hatte eine Heidenangst gehabt, nicht einmal ein paar Stunden Schlaf zusammenzubekommen, aber das erzählte er nicht.
»Es wird nicht wieder vorkommen«, sagte er mit fester Stimme und spürte, wie ihm unter seiner grünen OP-Kleidung noch heißer wurde.
Ronny betrachtete ihn mit festem Blick und schien durch ihn hindurchzusehen.
»Wie geht es dir eigentlich?«, wollte er schließlich wissen.
»Abgesehen von der Grippe, die fast überstanden ist, geht es mir gut.«
Ronny musterte ihn noch etwas länger und nickte dann.
»Gut«, meinte er. »Wir wissen inzwischen jedenfalls, dass das EKG ganz normal war. Mehr erfahren
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