Lupus - Ankunft der Woelfe
amerikanische Regierung oder Medigood World würden niemals Einblicke in die Forschung von damals geben.
*
Stunden später schaute er von seinem Schreibtisch aus auf die schlafende Stadt Berlin, in der nur wenige Lichter in der Ferne glimmten. Statt ins Bett zu gehen, hatte er sich die halbe Nacht durch Forschungsaufsätze und wissenschaftliche Diskussionsforen gelesen und dabei mit Espresso wach gehalten.
Er würde den Ursprung der Katastrophe nicht finden können, aber das Ausmaß würde ihn auch nie wieder loslassen. Die Welt war nicht mehr dieselbe. Die Medien berichteten fast nur noch über die Genveränderten. Mit einem Stöhnen massierte er sich die pochenden Schläfen. Am liebsten hätte er jetzt Eva angerufen und mit ihr geredet, doch um diese frühe Zeit konnte er sie nicht wecken. Sie war noch immer viel zu geschwächt. Den hohen Blutverlust hatte sie beinahe nicht überlebt. Nein, er konnte und durfte sie nicht anrufen. Außerdem hatte er beschlossen, dienstlichen Abstand zu wahren. Sie war Medizinerin wie Bonny. Er wollte das Schicksal nicht erneut herausfordern.
Nachdenklich erhob er sich und ging in seinem stillen Loft auf und ab. Vor der antiken Kommode blieb er stehen, öffnete sie, zog Bellas Leine heraus und betrachtete wehmütig das abgewetzte Leder. Ein Klagelaut zwängte sich durch seine Kehle. Er schluckte. Die Umgebung verschwamm vor seinen Augen. Mit dem Handrücken wischte er über die Leine und legte sie schließlich zurück. Seine Finger strichen über den alten Sekretär neben der Kommode und wanderten zu dem verschnörkelten Schloss, in dem der Schlüssel fehlte. In der Schublade dahinter lag mittlerweile auch sein eigener medizinischer Befund. Er blickte nach oben zu dem Querträger, auf dem er den Schlüssel abgelegt hatte, und schüttelte den Kopf. Er wusste die Wahrheit doch längst. Der Laptop leuchtete als einzige Lichtquelle im Raum. Langsam trat er an seinen Schreibtisch zurück und schaltete den Computer aus.
Einen Moment stand er reglos in völliger Dunkelheit und dachte an die Recherchen der letzten Stunden. Die Forschungsversprechen der Wissenschaftler waren unmissverständlich. Keinesfalls ging es nur noch um die verbesserte Anpassung von Tieren oder Tier-Chimären an anspruchsvolle Umweltbedingungen. Nein, jetzt war der Mensch dran. Im Zusammenhang mit der jüngsten Virenkatastrophe diskutierten führende Wissenschaftler ungeniert die Vorzüge genveränderter Menschen. Menschen, die durch Einlagerung tierischer Gene in Trockenzonen, Eisgebieten oder Hitze besser überleben konnten.
Während er ans Fenster trat, strich er sich übers Kinn und fühlte die wuchernden Bartstoppeln. Er schaltete die grüne Schreibtischlampe ein und streckte sich gähnend. Ein Sonnenaufgang am verschneiten Grab von Bella war genau das, was er jetzt brauchte.
Entschlossen nahm er Winterlaufkleidung aus der Kommode und zog sich um. Ein belebendes Glücksgefühl breitete sich in ihm aus, als er sein Loft verließ. Vorfreude auf die klare Luft, die dünne, unberührte Schneedecke und die Stille des Waldes bei Sonnenaufgang.
Kurze Zeit später trat er auf den über Nacht gefallenen Schnee vor dem Haus, sah eine Pfotenspur und dachte plötzlich an die Wölfe, die jetzt im Winter aus dem Osten rüberkamen. Es würde ein langer Lauf werden …
70
Evas Wohnung, Samstag
E va streckte sich und schlug die Bettdecke zurück. Seit gestern Abend war sie zurück in ihren eigenen vier Wänden, und es hatte sich unglaublich gut angefühlt, die Nacht wieder im gewohnten Bett zu schlafen.
Am Montag wollte sie zurück in den Dienst. Dann würde sie auch Cube wieder regelmäßiger sehen. Leider hatte er sich in den letzten Tagen rargemacht, war einsilbig geblieben. Sie seufzte, sie müsste sich der Tatsache stellen, dass es dafür einen handfesten Grund geben musste, und ihr leuchtete nur einer ein.
Noch im Schlafanzug tappte sie zu ihren Lieblingen, die im Terrarium dösten. Ein Madagaskar-Taggecko hüpfte auf ein schaukelndes Blatt und schlürfte einen Tropfen Wasser.
»Hallo Prinz Efron …, und was ist mit dir, Eragonia? Bist du beleidigt, weil ich ein paar Tage nicht zu Hause war?« Eva steckte die Hand in den gläsernen Kasten. Die Echse krabbelte zögernd näher und kletterte über ihren Handrücken.
Den Geckos ging es gut, das erkannte sie an der knallgrünen Schuppenhaut. Bei Stress wäre sie dunkelbraun. Vorsichtig streckte Eva den Arm, und der Gecko hüpfte zu seinem Gefährten zurück.
In
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