Lupus - Ankunft der Woelfe
verschoben. Sie hatte im Winter die schwere Pandemie-Grippe und wirkte immer noch blass, und ihr Blutdruck war ziemlich niedrig. Aber sie hat auf den Termin bestanden.« Ihr Vater blinzelte. »Jetzt erinnere ich mich. Sie hat dort auf dem Sofa gesessen, so wie du eben, und ungeduldig mit den Fingerspitzen aufs Leder getrommelt. Ich habe ihr dann meine Spezialvitamine verkauft und sie gebeten, sich vor der Operation zu schonen. Das war alles. Dann habe ich eine Woche später die Nase final korrigiert – und sie nie wieder gesehen.« Er seufzte. »Lass mich deine Nase operieren. Eva, du wirst sehen, danach bist du ein anderer Mensch«, flehte er.
Eva sprang auf. »Ich glaub es nicht. Wie kannst du annehmen, dass mein Äußeres meine Persönlichkeit beeinflusst.«
»Aber dein Zinken ist nun wirklich nicht ästhetisch. Das musst du doch sehen. Mit der Korrektur der Nasenscheidewand kannst du zwar jetzt richtig atmen, aber das alleine reicht nicht für ein perfektes Ergebnis.«
»Meine Nase sieht aus wie immer, und sie bleibt so. Und im Übrigen kann ich zwar jetzt durch die Nase atmen und bekomme tatsächlich nicht mehr jeden Schnupfen, aber ich rieche auch nichts mehr.«
»Na, dann freu dich doch. Die meisten Menschen müffeln unangenehm. Und die Rechtsmedizin ist nun auch nicht gerade der Ort, wo ein guter Geruchssinn zu empfehlen ist.«
»Parfüm und Blumen nehme ich aber auch nicht mehr wahr, seit …«
»Na und.« Er zuckte mit den Schultern. »Wer hat schon Zeit, ständig am Kelch einer Blüte zu schnüffeln? Eva, ich meine es doch nur gut mit dir. Du bist dreißig Jahre alt, und weit und breit ist kein Mann in Sicht, der sich für dich interessiert.«
Sie sprang auf. »Lass es! Werde jetzt nicht wieder gemein!«
»Ich sage doch nur die Wahrheit. Ich schäme mich für deine Nase. Alle fragen mich hinter vorgehaltener Hand oder mit ihren Blicken, wieso ausgerechnet du so rumläufst, wo du doch mich hast.«
»Scheusal!«, rief Eva und flüchtete in Richtung Tür.
»Was du da tust, ist sogar geschäftsschädigend für mich«, rief er den letzten Satz hinter ihr her.
Eva antwortete nicht mehr. Wütend lief sie ins Treppenhaus und über die Treppenstufen hinab ins Parterre, dort hastete sie durch die Tür mit dem Schild »Restroom for Ladys«. Sie wollte die Tür zuknallen, aber der automatische Türschließer bremste den Schwung. Während die Tür sanft zu glitt, schlitterte Eva mit den Pumps über das glatte Marmorgestein und knickte mit einem Fuß um. Ihre Hand griff ins Leere, und sie stürzte aufs linke Knie. Vor Schmerz schluchzte sie laut auf und starrte auf das Knie, das in Sekundenschnelle blau anlief und anschwoll.
Leise Meditationsmusik plätscherte aus einem Lautsprecher über ihrem Kopf. Sie humpelte durch den geräumigen Salon zum Waschbecken mit den goldenen Wasserhähnen und den verschnörkelten Barock-Lampen. Dort nahm sie eines der blütenweißen Handtücher, hielt es unter Kaltwasser und presste es aufs Knie.
Du bist doch eine erwachsene Frau, du hast dein Medizinstudium erfolgreich beendet. Warum lässt du dich von diesem Arschloch so behandeln? , begann sie in Gedanken ein Zwiegespräch mit sich selbst und betrachtete kritisch ihr Gesicht im Spiegel. Ja, sie hatte eine Barbara-Streisand-Nase. Na und? Die verweinten Augen und die geröteten Wangen störten sie viel mehr. Eva klatschte sich kaltes Wasser ins Gesicht, trocknete ihre heißen Wangen mit einem der weichen Handtücher und erneuerte ihr Make-up.
Und jetzt raus hier! , befahl sie sich selbst und straffte ihre Schultern. Vater, du und deine Vorführdamen am Empfang, ihr seht mich nicht weinen.
Vorsichtig humpelte sie in den Gang.
Als sie wenig später durch die Glastür in die Eingangshalle ging, kam ihr ein ketzerischer Gedanke. Oh nein ! Ihr Vater hatte doch wohl nicht eben versucht, sie von ihren eigentlichen Fragen abzulenken. Damit kam er nicht bei ihr durch. Dieses Mal nicht. Sie erinnerte sich an den Tag, an dem sie ihn in seiner Villa beobachtet hatte. Er hatte hastig die Marmorstatue poliert. Aber Eva wusste trotzdem, was er dort unter dem Sockel der unschuldig lächelnden Venus vor ihr versteckte. Ihr Vater konnte sich einfach keine Zahlen merken. Schon gar nicht die wechselnden Passwortzahlen für seine Datenbank. Wenn er es immer noch so machte, dann musste sie nur in seine Villa fahren. Natürlich besaß sie einen Schlüssel. Schließlich war das einmal ihr Zuhause gewesen.
Humpelnd schritt sie durch die Halle
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