Lustig, lustig, tralalalala
seines geringen Alters schon eine große russische Seele. Dieser Teddy war das Einzige, was von meinem Opa von der Front zurück nach Hause kehrte. Meine Großmutter erhielt ihn in einem Paket zusammen mit dem Rosenkranz und seinem Wehrpass. Mich hat der Teddy von klein auf begleitet. Er war mir meine ganze Kindheit hindurch ein treuer Kamerad, und als Zeichen unserer Freundschaft wollte ich dir nicht nur irgendetwas kaufen, sondern etwas Besonderes schenken. Ich habe erst jetzt, nach dem Tod meiner Großmutter, die wahre Geschichte durch ihre hinterlassenen Briefe erfahren, und ich glaube, du verstehst, dass ich mich nun sehr schlecht fühle, ihn weggegeben zu haben. Ich komme am Montag vorbei, um ihn abzuholen, und verspreche,dir einen neuen, ganz tollen Teddy mitzubringen.
Dein Karl
Ich war fassungslos. Welchen Plüschbären wollte Karl mir da eigentlich aufbinden? Ich hatte gute Lust, ihn anzurufen und zu geifern: «Das ist ja ’ne unheimlich originelle Geschichte. Du solltest vielleicht Schriftsteller werden. Überhaupt würde es nicht schaden, wenn du dir mehr Dinge aufschreibst. Dann vergisst man nämlich nicht so viel. Den bescheuerten Teddy habe ich dir vor drei Jahren in meiner eigenen Küche in die Hand gedrückt, und ein Jahr davor habe ich ihn von Karin zur Wohnungseinweihungsfete bekommen. Und die war noch nie in Russland, Vollidiot!»
Ich hab nicht angerufen. Trotz allem war Karl mein bester Freund und tief in seinem Innern ein Sensibelchen. Vielleicht war ihm der Teddy in den letzten drei Jahren ja wirklich so sehr ans Herz gewachsen, dass er ihm nun fehlte. Und er fand es unmännlich, das zuzugeben. Immerhin hatte er sich eine so blumige Geschichte für den Teddy ausgedacht, dass ich fand, er hatte ihn sich verdient. Oder einen, der genauso aussah. Ich hatte den echten schon vor vier Wochen weggeworfen, auf der Müllhalde hatte ich keine Chance mehr. Also wühlte ich mich durchs Internet. Man glaubt nicht, wie viele Plüschtier-Tausch-und-Sammel-Seiten es im Netz gibt, und schon auf der zweiten wurde ich fündig. Das war auch nicht schwer, denn unser Teddy stand ganz oben auf der Rangliste von wertvollen Sammlerstücken. Er war sozusagen die blaue Mauritius unter den Teddybären. Unter seinem Bild stand: «Honeys Mohair ist goldblond gewirbelt, die Füllung besteht aus feinster Schafwolle. Honeyhat schwarze Augen mit Sicherheitsscheiben, die Pfoten und Tatzen sind rasiert, und er hat eine ausdrucksstarke Brummstimme. Welcher moderne Teddy kann so etwas noch bieten? Entstehungsdatum: 1912, Verkaufswert: 8000 Euro .»
Mir wurde schlecht. Ich hatte ein Jahr mietfreies Wohnen plus einem All-inclusive-Urlaub in Costa Rica verschenkt, durch eine glückliche Fügung des Schicksals wiederbekommen und dann in die Tonne gekloppt. Genauso gut hätte ich den ganzen Dezember hindurch die Kerzen am Adventskranz mit brennenden 50 0-Euro -Scheinen anzünden können.
Ich stand noch voll unter Schock, als das Telefon klingelte. Es war Karin, und sie fragte tatsächlich: «Sag mal, kannst du dich noch an den Teddy erinnern, den ich dir zur Wohnungseinweihung geschenkt habe …»
Ich schrie in den Hörer: «Ja! Und ich hab mir davon drei Häuser gebaut! Das sollte euch allen eine Lehre sein, mir nie wieder Plüschis zu schenken! Am besten, du rufst gleich Karl an und erzählst ihm das.»
Und damit endet meine Geschichte. Weder Karl noch ich haben das Teddy-Thema je wieder angesprochen. Aber ich fürchte mich heute noch jedes Mal, wenn ich den Computer anschalte, davor, eine Mail von Karin vorzufinden, in der sie mir schreibt, ihre Oma sei bei einem Gasunglück in einer Stofftierfabrik ums Leben gekommen.
Martina Brandl,
Komikerin und Sängerin, trat zunächst als musikalischer Gast auf Lesebühnen auf und schrieb dann selbst Kurzgeschichten. Ihre Romane «Halbnackte Bauarbeiter» und «Glatte Runde Dinger» sind Bestseller. Seit 1995 tourt sie mit ihren Programmen in ganz Deutschland, tritt im Fernsehen auf und spricht fürs Radio die Kanzlerinnen-Soap «Angie und die Westerwelle». Martina Brandl wurde für ihr Werk mehrfach ausgezeichnet. Im Frühjahr 2011 erscheint ihr neuer Roman «Schwarze Orangen». Weitere Informationen unter www.martina-brandl.de
Steffi von Wolff
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