Lustig, lustig, tralalalala
einem Samstagnachmittag mit Speckstein zu arbeiten oder zum dritten Mal in diesem Monat die Fenster zu putzen? Eine Geliebte muss sich mit keinem nörgelnden Ehemann herumschlagen und hat keine Kinder zu versorgen. In den meisten Fällen zumindest nicht. Das heißt, sie kann ausschlafen, gemütlich im Bett frühstücken und dabei eine Dokumentation oder eine DVD schauen, sie kann herablassend und mit einer gediegenen Arroganz wie gerade jetzt im Dezember aus dem Fenster blicken, um genervten Eltern zuzuschauen, die Schlitten und Kinder zu einem der wenigen Hügel in Hamburg schleppen und dabei nach verlorengegangenen Handschuhen suchen müssen. Das alles muss eine Geliebte sich nicht antun. Nein, eine Geliebte ist eine beneidenswerte Frau. Und wenn man überlegt, dass …
Das ist doch Scheiße. Warum habe ich bloß ja gesagt, als die Schachtel mit dieser bekloppten Serie um die Ecke kam?
«Wir sollten mal wieder was aus dem Leben machen», hatte sie gesagt und mich wieder so mitleidig angeschaut mit einem dieser Blicke, die sagten: «Eine Langzeittherapie halte ich fürden einzigen Ausweg.» Die Schachtel ist die Chefredakteurin des Magazins, bei dem ich freiberuflich arbeite, und sie wird deswegen so genannt, weil sie wie eine alte Schachtel aussieht, und das mit gerade mal einundvierzig. Die Schachtel ist listig und sorgt mit einem wunderbaren Gespür dafür, dass Wunden immer wieder zu nässen beginnen. Mit traumwandlerischer Sicherheit hat sie mir dieses Thema aufs Auge gedrückt und damit natürlich einen wunden Punkt getroffen.
Weil ich schlecht nein sagen kann, habe ich eben ja gesagt, und dieses Ja wird mir jetzt zum Verhängnis.
Dann diese Unverschämtheit, Geliebte als
Randgruppe
zu bezeichnen. Geliebte sind doch keine Obdachlosen oder verdienen ihr Geld grundsätzlich mit dem Säubern von öffentlichen Toiletten. Darüber sollte man mal was schreiben. Diese Leute bewundere ich nämlich.
Die könnten bestimmt Geschichten erzählen.
Aber nein, ich hab die Geliebten bekommen und dann noch ein anderes Randgruppen-Thema: bekennende Masochistinnen.
Ganz ehrlich: Ist das nicht ein und dasselbe?
Ist es, wenn man es ganz genau nimmt.
Und um noch ehrlicher zu sein, ich möchte deswegen nicht darüber schreiben, weil ich ungern über mich selbst schreibe. Denn ich heiße Lena und bin eine Geliebte. Ob ich masochistisch bin, weiß ich nicht, ich glaube aber schon, denn es ist ja, wie ich schon erwähnte, ein und dasselbe.
Seit drei Jahren und vier Monaten warte ich nun schon darauf, dass Clemens A. von Schlieffen sich endlich von seiner Gattin Sybille trennt. Nicht, dass ich auf eine Heirat mit Clemens spekuliere, na ja, nur ein bisschen.
Clemens heißt mit Zweitnamen Anton, was er aufgrund seinesRestnamens nicht so prickelnd findet, er mag es geheimnisvoll, deswegen nennt er sich Clemens A. Leider mag er es nicht nur mit dem Namen geheimnisvoll.
Ich lernte Clemens während einer Hafenrundfahrt kennen, bei der die Barkasse mit einem Containerschiff zusammenstieß und die Passagiere evakuiert werden mussten. Hört sich dramatischer an, als es letztendlich war, aber selbstredend wurde das Ganze in den Medien so hochgeschaukelt, dass man hätte annehmen können, alle seien schon ertrunken gewesen und in letzter Sekunde reanimiert worden, und einer der Passagiere ist wahrscheinlich für den Satz «Ich habe literweise Wasser gespuckt» von irgendeinem Reporter fürstlich entlohnt worden. Ich war sogar recht froh, dass die Rundfahrt endlich vorbei war, weil ich die dummen Sprüche dieses Möchtegernmoderators («Wir nehmen keine E C-Karten , wir sind eine Bar … kasse!», «Sie müssen unbedingt Ihre Schwiegermutter auf den Michel hochjagen, das nennt man dann Drachen steigen lassen!») nicht mehr hören konnte, und noch weniger konnte ich das joviale Gelächter der Insassen ertragen. Aber was soll man tun, wenn man Zeit totschlagen muss?
Jedenfalls hat Clemens mir damals – es war August, er war mit Geschäftsfreunden aus Japan unterwegs, die ununterbrochen fotografierten – zur Seite gestanden. Ein Tourist kippte mir nämlich sein Bier über den Hosenanzug und ist dann auch noch frech geworden. Ich fragte ihn nämlich, ob er mir denn nicht seine Adresse geben wollte, an die ich die Rechnung für die Reinigung schicken könnte, da meinte er total barsch: «Na, junge Frau,
den
Anzug, den kann man doch
bestimmt
in der Maschine waschen!»
Clemens hatte das gehört und eilte mir verbal zu Hilfe.
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