Lustig, lustig, tralalalala
gejammert: «Ach, das ist ja traurig, wie du mit dem armen Kuscheltier umgehst!»
Ich hatte das Teil aufgehoben, ihm an die Brust geklatscht und genölt: «Hier. Werdet glücklich zusammen.»
Wahrscheinlich war Karl das entfallen, als er fünf Minuten bevor er sich auf den Weg zu mir machte, schnell noch irgendwas suchte, das er als drittes Geschenk einwickeln konnte. Um den Weihnachtsfrieden nicht zu stören und weil ich meinen besten Freund nicht in eine peinliche Lage bringen wollte, beschloss ich, St. Martins Mantel über den Fauxpas zu decken, und als Karl weg war, kloppte ich das Tier in die Tonne.
Wie ich schon eingangs erwähnte, kann ich Plüschis nicht leiden. Die liegen doch nur in der Wohnung rum und sammelnStaub. Und wenn einen hochrangige Journalisten für eine Homestory besuchen, muss man sie schnell alle vorher einsammeln und wegsperren, damit man nicht als infantil gilt. Einmal hat ein Kollege bei mir zu Hause auf der Suche nach dem Klo die Türen verwechselt und ist in dem Zimmer gelandet, wo ich die Plüschis vor ihm versteckt hatte. Seitdem gelte ich als Plüschtiersammlerin, die sogar ein extra Zimmer für ihre fusselige Menagerie hat, und bekomme noch mehr Kunstfellknäuel nachgeworfen.
Bei jeder Fete, die ich schmeiße, bleiben meine Freunde nach ihrer Ankunft im Türrahmen stecken und überreichen mir strahlend ein neues Pelzungetüm mit den Worten: «Guck mal, was wir für dich gefunden haben: So eines hast du garantiert noch nicht, oder?» Selbst wenn sie eine Flasche Wein mitbringen, hängt daran ein Plüschherz. Ein rotes Plüschherz mit Armen! Es hat ein lachendes Gesicht und Klettverschlüsse an den Händen, mit denen es sich um den Flaschenhals kettet. Ein Herzkopf mit Armen, der eine Flasche Wein umarmt! Wie krank muss ein Plüschdesigner sein, um sich so was auszudenken?
Ich hab zu Hause Kerzen aus Plüsch, ein Sortiment Plüschkondome, einen ganzen Korb voller Misch-Plüsch-Gemüse, darunter Auberginen, Blumenkohl und Spargel, eine braune Plüschkakerlake in Überlebensgröße, ein Kuschelhandy, eine komplette Plüsch-Caipirinha mit Limetten, Eiswürfeln und Plüschstrohhalm und ein Plüschmikrophon zum Anstecken mit integrierter Spieluhr, das «There’s no Business like Show Business» spielt, wenn man an der Strippe zieht. Und das sind nur die Neuzugänge der letzten vierzehn Tage. Eins mehr oder weniger wäre gar nicht groß aufgefallen. Aber im Affekt hatte ich das Ding weggeworfen. Und ich wurde dafür böse bestraft.
Im Januar fragte Karl am Telefon: «Wie geht’s denn meinem Teddy?»
«Na, bärig!», sagte ich schnell, in der Hoffnung, ihn mit diesem laschen Witz vom Teddy-Thema abzubringen. Aber auch beim nächsten Gespräch und den darauffolgenden fragte er immer wieder: «Gefällt dir der Teddy noch?», «Fühlt er sich auch wohl bei der großen Konkurrenz?», «Hätte ich dir lieber was anderes schenken sollen?» Schließlich kreuzte er persönlich bei mir in der Wohnung auf und wollte seinen Teddy sehen. Ich log, der sei in der Reinigung, wegen eines Zusammenstoßes mit der Kaffeemaschine. Allerdings verstand Karl die Anspielung nicht. Er lugte neugierig in verschiedene Ecken der Wohnung und schien mir gar nicht zugehört zu haben. Ein paar Tage hatte ich Ruhe. Dann kam folgende E-Mail :
Liebe Martina,
dir das hier zu schreiben, fällt mir sehr schwer, aber ich sehe keinen anderen Weg und hoffe im Voraus auf dein Verständnis. Sicher erinnerst du dich an den Teddy, den ich dir zu Weihnachten geschenkt habe, und wunderst dich, dass ich so oft danach frage. Ich will dir nun sagen warum. «Na, da bin ich aber gespannt», dachte ich. Dieser Teddy gehörte einst der Tochter einer russischen Bäuerin, die das Lager belieferte, in dem mein Großvater im Zweiten Weltkrieg in Gefangenschaft war. Mein Opa war mit der letzten Mobilmachung eingezogen worden. Ein blasser, zarter Junge von achtzehn Jahren,der gleich am zweiten Tag seines Einsatzes verwundet wurde (Heckenschütze) und nun mit zerschossenem Oberschenkel am Zaun des Lagers saß und die Zivilisten, die dort vorbeikamen, um Lebensmittel anbettelte. Die russische Bäuerin, die Kohl und Kartoffeln ins Lager lieferte, hatte so großes Mitleid mit dem fremden blonden Jungen, dass sie ihm jeden Tag heimlich etwas zu essen zusteckte: mal einen Kanten Brot, mal eine Steckrübe. Das kleine Töchterchen der Bäuerin aber schenkte meinem Opa seinen einzigen Teddy, denn es hatte sonst nichts zu geben, aber trotz
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