Lustig, lustig, tralalalala
Uhr 48. Wäre lieber
zwei
Stunden zu spät als eine halbe Stunde zu spät und in Lederhose. Stelle fest, dass ich offenbar das Kleingedruckte auf meiner (nie erhaltenen!) Einladungskarte nicht gelesen habe.
Business casual.
Was das genau bedeutet, weiß ich nicht, aber es hat offensichtlich mehr mit
Gucci
als mit
Green Day
zu tun.
20 Uhr 21. Auf Frage nach meinem Getränkewunsch sage ich: «Ein Bier», was den Einstieg in meine neue Yuppie-Freundesclique zu einer Herausforderung macht. Hier trinkt man Champagner! Das kommt nur dummerweise im
Tote-Hosen -Shirt
weder weltgewandt noch stilsicher rüber.
21 Uhr 10. Werde von Leif, dem Anführer der Gucci-Anzug-Jünger, versehentlich (oder war es Absicht?) für Lenas schwulen Klienten aus der Musikszene gehalten. Ernte nach Aufklärung des Irrtums nur noch mitleidiges Schweigen. Die ersten angetrunkenen Aasgeier beginnen, ihre Kreise zu ziehen, um Lena anzubaggern.
21 Uhr 18. Erinnere mich, dass mein Kumpel Jens genau genommen Soziologie studiert, und das auch schon seit elf Semestern. Hätte ihn niemals als zuverlässigen Berater in Kleidungsangelegenheitenin Erwägung ziehen dürfen. Schon gar nicht, wenn es um Juristen geht. Ich Vollidiot.
21 Uhr 52. Unter den Gucci-Jüngern spricht es sich herum, dass ich NUR Lenas Freund bin. Von nun an ist den Aasgeiern jedes Mittel recht, um die tollste Frau der Welt anzubaggern.
22 Uhr 35. Werde in einen Hinterhalt gelockt! Lenas Freundin mit der schrillen Stimme quietscht mir mein linkes Ohr kaputt, was natürlich als mieses Ablenkungsmanöver gedacht ist und auch funktioniert. Lena ist verschwunden, und ich sitze in der Akustik-Falle.
22 Uhr 58. Entdecke Lena, wie sie von Sabber-Leif vollgesabbert wird. Gerade ist er dabei, sie auf den Balkon zu locken. Bei minus fünf Grad!
23 Uhr 15. Bin auf dem linken Ohr taub.
23 Uhr 28. Bin auch auf dem rechten Ohr taub. Habe mich nur kurz umgedreht, um mir ein neues Glas Champagnerbrause zu organisieren. Seit dem trötet mir die Quietschkuh nun ins andere Ohr.
23 Uhr 35. Lena steht immer noch am Ausgang zum Balkon. Sie blickt sich um, als würde sie nach mir suchen. Sooo süß!
23 Uhr 38. Will winken, um Lena auf mich und meine hoffnungslose Lage aufmerksam zu machen, da greift Sabber-Leif ihr mit beherztem Griff um die Taille (!) und versucht, sie hinauszuzerren. Hoffe, ihm wird sein Gesabber zu Eiszapfen gefrieren!
23 Uhr 58. Will den beiden hinterherstürmen, um Lena vor dem Kältetod zu retten und den Gucci-Idioten ganz nebenbei mit meinen durchtrainierten Armen bekannt zu machen, da klatscht die Quietschkuh neben meinem Mittelohr den Gipfel dieses Horrorabends herbei.
24 Uhr. Nikolaus!
24 Uhr 01. Mist! Habe kein Geschenk für Lena. Werde deshalb von schätzungsweise acht Lena-Bewunderern kalt lächelnd im Galopp überholt. Neben Sabber-Leif entpuppen sich jetzt auch noch Halstuch-Stefan (bin sehr froh, dieses modische Accessoire weggelassen zu haben), Nickelbrillen-Sascha, Lackschuh-Lars und Gelfrisur-Robert als Lena-Fans.
24 Uhr 11. Die Dame unseres Herzens bekommt von Lackschuh-Lars eine Karte für die Weihnachtsoperette (nicht schwer zu erraten, wer die zweite Karte innehält) geschenkt.
24 Uhr 15. Halstuch-Stefan überreicht Lena ein Parfum.
24 Uhr 22. Nickelbrillen-Sascha zückt eine Doppel-CD von Norah Jones.
24 Uhr 36. Gelfrisur-Robert wartet mit einem Bildband über die hippsten Hotels in Tokio auf.
24 Uhr 55. Sabber-Leif schießt den Vogel ab. Mit einem – für meinen Geschmack zu weit in die Mitte verrutschten – Kuss überreicht er Lena eine Schmuckschatulle, in der sich, politisch korrekt und treffsicher ausgesucht, ein schmaler silberner Armreif mit eingravierter Nummer befindet. Mit diesem Armreif unterstützt man die Nelson-Mandela-Stiftung. Und sieht gut aus.
1 Uhr. Finde, ich sehe dagegen ganz schön alt aus. Trinke von diesem Moment an meinen Champagner direkt aus der Flasche.
1 Uhr 15. Lena äußert sich nicht zum fehlenden Nikolausgeschenk. Wohl aber zu meinem Alkoholpegel. «Liebling, wollen wir vielleicht nach Hause? Ich glaube, du bist Champagner einfach nicht gewohnt. Und außerdem», sie macht eine Pause, in der sie mich mitleidig ansieht, «müssen wir ja morgen alle wieder arbeiten.»
1 Uhr 18. Überlege, ob Lenas mitleidiger Blick mir, meinemJob oder meinen zugequietschten Gehörgängen gegolten hat, komme aber zu keinem Ergebnis. Gerade als ich angesichts unserer
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