Lustig, lustig, tralalalala
bevorstehenden Heimfahrt erleichtert aufjauchzen will, mischt Armreif-Leif sich ein. Er wittert seine Chance auf traute Zweisamkeit mit der umschwärmten Kollegin und bietet an, mich im Taxi abzuschieben. So könne Lena den wunderbaren Abend noch ein wenig genießen und ganz nebenbei ihren neuen Armreif schon mal ein wenig ausführen. Denn dafür würde sie ja wohl in Zukunft, an meiner Seite, nicht ausreichend Gelegenheit haben. (Okay, das hat er
so
nicht gesagt, aber gemeint. Ich bin ja nicht blöd!) Ich kotze nicht, sondern willige ein.
1 Uhr 33. Sitze im Wagen nach Hause und wünsche mir nichts sehnlicher, als diesen Abend ungeschehen zu machen.
Muss leider zugeben, dass Weihnachtszeit sich irgendwie nicht nach meinem Geschmack entwickelt. Habe zum ersten Mal eine Ahnung, was Heike mit ihrer düsteren Prognose gemeint haben könnte. Wenn man sich am Nikolaustag schon so übermenschlich ins Zeug legen muss, besteht wenig Hoffnung, dass ich den Heiligen Abend unbeschadet überstehe.
Fühle mich immer noch hundeelend. Glaube, ich habe eine Champagner-Allergie. Oder eine Gucci-Allergie. Eventuell sind es auch die Vorboten eines Hörsturzes, wer weiß. Jedenfalls hat sich mein Zustand seit heute Morgen rapide verschlechtert. Bemerke jetzt zusätzlich ein Ziehen in der Körpermitte und rufe deshalb bei Jens an, der daraufhin einen Kommilitonen befragt, der mir daraufhin ein nervöses Leberleiden ferndiagnostiziert. Frage nochmal bei Jens nach, ob der Typ auch wirklich Medizin und nicht etwa Soziologie studiert, aber dieses Mal ist Jens sich sicher.
16 Uhr 11. Kann mich endlich dazu durchringen,
nervöses Leberleiden
zu googeln und stelle fest, dass die Krankheit unheilbar ist und man eines kurzen, aber qualvollen Todes sterben wird. So kurz und so qualvoll, dass es nicht mal jemand geschafft hat, in einem der vielen Foren über seinen Krankheitsverlauf zu berichten. Vermutlich hat seine verbliebene Lebenszeit nicht mehr ausgereicht.
17 Uhr. Anruf bei Lena in der Kanzlei. Will sie – behutsam, aber nichts beschönigend – von meinem bevorstehenden Ende in Kenntnis setzen. Sie geht aber nicht ran. Vorzimmertussi, auf die das Gespräch nach sieben Klingelzeichen umspringt, behauptet, Lena sei in einem Mandanten-Meeting.
17 Uhr 13. Vorzimmertussi meint, das Meeting gehe etwa noch eine halbe Stunde. Glaube, sie lügt.
17 Uhr 43. Vorzimmertussi hat keine Erklärung dafür, dass das Meeting, das laut ihrer Aussage nur noch eine halbe Stunde dauern sollte, immer noch in Gang ist. Sie vertröstet mich und sagt, sie würde Lena bitten, mich zurückzurufen, sobald die Besprechung vorbei ist.
18 Uhr 09. Vorzimmertussi hat definitiv gelogen. Meeting ist vorbei, und Lena ist zu Hause. Vorzimmertussi auch, weshalb ich Lackschuh-Lars an der Strippe habe (der mit den Operettenkarten, das höre ich sofort an seiner Stimme). Er behauptet, Lena hätte schon seit einer Dreiviertelstunde Feierabend.
18 Uhr 41. Rufe bei Lena zu Hause an, und auf einmal wird mir alles klar: Sie ist mit Sabber-Leif unterwegs, um ihren silbernen Armreif auszuführen. Nach kurzer, aber gründlicher Überlegung scheint sie zu dem Schluss gekommen zu sein, dass reicher Sabberfreund im Gucci-Kostüm doch besser zu ihr passt als supersüßes Weihnachtsgreenhorn, dem die Facetten seiner vielschichtigen Persönlichkeit selbst noch nicht bekannt sind. Und das noch dazu todkrank ist.
19 Uhr 17. Wie kann sie nur so oberflächlich sein? Ich meine, wer Geld spenden will, der tut das doch im Stillen und verschenkt nicht mit lautem Getöse und schleimigem Gesabber silberne Armreife! Da müsste eine Unterstützerin erzgebirgischer Volkskunst doch eigentlich von selbst draufkommen!
19 Uhr 25. Jens meint, das dürfe man so nicht betrachten. Frauen wären eben so. Unberechenbar. Aber vermutlich sei Lena nur beim Sport.
20 Uhr. Bin medizinisches Wunder! Habe Leberleiden besiegt und gehe mit Jens zum Squash.
7. Dezember, Donnerstag
Bin vollständig genesen und fühle mich besser denn je!
Heike erzählte heute Morgen, dass Lena gestern zweimal angerufen hat. Zweimal! Dummerweise hat Heike ihr aber verklickert, dass es mir sehr schlechtgeht und man mich auf keinen Fall stören darf, da ich möglicherweise einen Schlaganfall hätte und Männer in meinem Alter so etwas nur überleben, wenn sie absolute Ruhe hätten. Blöde Kuh!
Warte ab, bis Heike zum Kunden muss, und rufe bei Lena in der Kanzlei an. Muss mich zum Glück
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