Lustig, lustig, tralalalala
Fall auftauchen. Will unter den
Green Day
hörenden Anwälten nicht unnötig spießig rüberkommen, aber auch nicht ärmlich aussehen. Schon gar nicht wie ein I T-Berater . Möchte weltgewandt und gesattelt wirken. Ich und mein lässiger Stil im Einklang mit Zeitgeist und Individualität. Auf keinen Fall darf ich neureich oder verkrampft wirken.
14 Uhr: Bin in der Mittagspause kurz nach Hause gefahren, um meinen Kleiderschrank zu inspizieren. Großer Schock! Stelle fest, dass er – und vor allem sein Inhalt – meinen Anforderungen an einen Abend unter
Green-Day
-Anhängern nicht gewachsen ist. Brauche diesbezüglich dringend professionelleHilfe (Heike scheidet aus, da sie ebenfalls Computerfreak ist und somit – ihren eigenen Angaben zurfolge – von Haus aus schlechten Geschmack hat) und rufe bei Jens an. Habe Grund zu der Annahme, dass er sich in Kleidungsfragen auskennt, da er noch studiert und laut seiner Aussage an der Uni haufenweise coole Jurastudenten rumhängen.
«Wenn die erst mit ihrem Studium fertig sind und sich jeden Tag für ihre Kanzlei konservativ verkleiden müssen», meint er, «dann lassen die privat auf jeden Fall die Sau raus. Jedenfalls kleidungsmäßig.» Er rät mir deshalb zu Lederhose und ärmellosem T-Shirt , was ich zu dieser Jahreszeit irgendwie problematisch finde. Jens nicht.
«Am geilsten wäre ein Shirt mit verwaschenem Tour-Aufdruck, zum Beispiel von den
Ramones
. Dazu Turnschuhe. Und wenn du das Ganze noch etwas aufpeppen willst, wickelst du dir zusätzlich ein Halstuch um. Das ist dann aber schon ganz großes Kino.» Meinen Einwand, dass draußen Minusgrade herrschen und ich auch keine verwaschenen T-Shirts habe, schon gar nicht mit Aufdruck (Hafengeburtstag 1998 und Miami Vice mit Foto von Don Johnson zählen nicht), tut er mit einem verächtlichen Schnauben ab. Auch die Tatsache, dass ich keine Lederhose besitze und die Kombination von kurzen Ärmeln und Halstuch irgendwie albern finde, überzeugt ihn in keinster Weise. «Also willst du nun cool aussehen oder nicht? Ja? Dann schwing deinen Hintern vor die Tür und geh schnell was kaufen. Wozu hast du in der Straße einen Secondhandladen. Da findste todsicher was!»
17 Uhr 12. Komme gerade zur Tür rein und kann Party ab sofort entspannt entgegensehen. Habe nach Feierabend im Secondlandladen geschnürte Lederhose und verwaschenes, ärmelloses T-Shirt erstanden (zwar nicht von den Ramones, aberdafür von den Toten Hosen), das meine trainierten Oberarme gut zur Geltung bringt. Werde den blassen Anwälten demonstrieren, dass man Kopf und Körper gleichermaßen in Schuss halten kann. Halstuch lasse ich weg, da ich nicht aussehen will, als hätte man mich beraten.
6. Dezember (Nikolaus), Mittwoch
6 Uhr 18. Scheissssssse, Scheisssse, Scheise! Der Abend warne Katastrofe! Werde berichten wassss passiert is, wenns mia wieda bessageht.
8 Uhr 35. Geht noch nicht besser. Rufe bei der Arbeit an und melde mich krank, wegen partieller Lähmungszustände im Gesicht (Zunge). Heike meint, das könnte vielleicht ein Schlaganfall sein. In meinem Alter wäre das nicht auszuschließen. Verspreche, zum Arzt zu gehen, und lege mich wieder schlafen.
12 Uhr 04. War nicht beim Arzt. Lähmung der Zunge immer noch schlimm, aber schreiben geht jetzt.
Scheiße, Scheiße, Scheiße! Die tollste Frau der Welt hasst mich. Ganz sicher! Weihnachten ist noch viel komplizierter als von Heike prophezeit. Falls ich beziehungstechnisch noch irgendetwas retten will, darf mir ab heute nicht mehr der kleinste Fehler unterlaufen.
Leifs Party war der absolute Supergau! Musste feststellen, dass die tollste Frau der Welt gleichzeitig auch die begehrteste Frau der Welt ist, da sich den ganzen Abend sabbernde Mandanten oder von Alkohol befeuerte Anwaltskollegen um uns herumdrückten, die mich und meine freigelegten Oberarme keines Blickes gewürdigt haben. (Okay, stimmt nicht ganz, aber dazu später mehr.)
Habe mich deshalb (also aus gutem Grund) betrunken und Lena damit außer zur begehrtesten auch noch zur bemitleidenswertesten Frau der Welt gemacht.
Hier die Chronik meines Abstiegs:
19 Uhr 15. Bei Lena eintreffen, um sie abzuholen. Feststellen, dass Sie nicht da ist. Zwanzig Minuten warten, dann klingelt mein Handy.
Großes Missverständnis! Wir fahren nicht gemeinsam zu Leif nach Hause, da Party in der Kanzlei stattfindet. Hat mir keiner gesagt, ich schwöre! Bin somit bei meinem Eintreffen bereits eine halbe Stunde im Verzug.
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