Lustig, lustig, tralalalala
gebührend zu loben. Jedes bekrippte Zimmer, das man würdevoll und feierlich betrat, hallte wider von den ganzen Ohs und Ahs, mit denen die ehrfürchtigen Besucher ihrer tiefen Bewunderung für die Krippe Ausdruck verliehen, ergänzt von dem Zusatz, dass dies die schönste Krippe sei, die sie in ihrem ganzenLeben je gesehen hätten, und sie hätten weiß Gott in ihrem Leben schon viele Krippen gesehen. Da dies jedoch jeder Besucher in jedem Haus gebetsmühlenartig hinunterspulte, verlor das Krippen-Mantra ein wenig an Glaubwürdigkeit, was der Prozedur wiederum eine gewisse Ehrlichkeit verlieh, denn die Besuche waren in erster Linie eines: die pure Heuchelei! Kaum hatten die Besichtiger nämlich den Ort ihrer angeblich größten Bewunderung verlassen, fingen die ganz Ungeduldigen schon auf dem Weg nach draußen an, sich den Mund über diese noch nie da gewesene Ausgeburt an Hässlichkeit und Kitsch zu zerreißen, indem sie sich gegenseitig mit den Ellbogen in die Rippen stießen und sich dabei die ersten Beleidigungen zuzischten. Ihnen sei dabei jedoch zugutegehalten, dass sie für ihre Beschimpfungen in der Tat nicht viel Zeit hatten, da der nächste Besichtigungstermin ja bereits im Haus nebenan wartete.
«Bah, haste du diese
presepio
gesehe?»
«
No
, habe ich nix gesehe eine
presepio
. Was ich gesehe habe, das ware eine riesige Haufe von die Sperrmülle in die Wohnzimmer. Oder war das etwa die
presepio
?»
Solche Beleidigungen gehören selbstverständlich in die allerharmloseste Kategorie. Und manchmal waren sie ja durchaus berechtigt. Da war schon ein Panoptikum des schlechten Geschmacks in den Wohnstuben Balordos versammelt, das kann man nicht anders sagen. Und in solchen Fällen zeigten die verlogenen Kritiker selbst hinter dem Rücken ihrer Opfer Mitleid und beschränkten sich auf symbolische kleine Giftpfeile. Anders sah es jedoch aus, wenn die gerade angeschaute und bewunderte Krippe ZU RECHT gelobt werden musste! In solchen Fällen trieb der blanke Neid die Leute zu schlimmsten verbalen Bosheiten, die meistens, um auf Nummer sicher zugehen, noch von Verwünschungen und Flüchen begleitet wurden. Selbst vor Handgreiflichkeiten schreckte man mitunter nicht zurück. Da wurde dem kleinen Jesuskind in einem unbeobachteten Moment auch schon mal ein Schnurrbart aufgemalt oder dem Esel ein Bein weggetreten. Besonders perfide war es jedoch, unter erwiesenermaßen sizilianischer Handarbeit gefälschte «Made-in-China»-Aufkleber anzubringen, was die Höchststrafe für alle Traditionalisten und gleichbedeutend mit immerwährendem Gesichtsverlust war. Der Mensch kann sehr einfallsreich werden, wenn er anderen schaden will.
Natürlich kannte jeder Balordianer dieses Spiel, weil es ja von jedem Balordianer jedes Jahr aufs Neue gespielt wurde. Und mein Onkel hatte sich vorgenommen, dass in diesem Jahr das ganze Dorf vor Neid erblassen sollte. Er wollte Balordo und uns ein Spektakel der besonderen Art bieten. Das Dorf hatte zwar schon einiges gesehen: große Krippen, kleine Krippen, hölzerne Krippen, mechanische Krippen, aus einem einzigen Stück geschnitzte Krippen und was sonst noch alles. Aber da war etwas, was es in keinem einzigen der geschmückten Wohnzimmer gab: eine LEBENDIGE Krippe! Und genau das wollte Onkel Luigi ändern. Es sollte sein Meisterstück werden. Den Leuten sollte der Mund offen stehen bleiben! Und mein Onkel war überzeugt davon, dass es funktionieren würde, denn auch meine
nonna
hatte mit offenem Mund dagestanden, als er sie in seine Pläne eingeweiht hatte. Sie war nämlich zunächst überhaupt nicht von der Idee angetan, ein lebendes Ensemble in ihrer guten Stube zu beherbergen. Und auch Onkel Luigis Hinweis, dass die Heilige Familie vor zweitausend Jahren genau an dieser Verweigerungshaltung ihrer Mitmenschen schwer zu knabbern gehabt hätte, konnte meine Oma nicht umstimmen.Erst als er ihr ausmalte, wie die Nachbarn sich beim Anblick des Spektakels vor lauter Neid die Arme aufkratzen würden, fand sie allmählich Gefallen daran. Den endgültigen Ausschlag gaben dann noch einige Kompromisse, die sie bei meinem Onkel durchdrücken konnte. Vor allem die Idee, dass ihr ein leibhaftiger Esel fast einen Monat lang beim Fernsehen über die Schulter schauen würde, gefiel ihr nämlich ganz und gar nicht. Und wenn man schon dabei sei: Es wäre ja wohl für den Ochsen ohne Esel auch recht langweilig und schon aus tierpsychologischer Sicht nicht zu verantworten, ihn da so ganz allein
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