Lustnächte
Beweise für seine Echtheit. Den Schädel hatte Maria Magdalena bereits kurze Zeit nach Jesu Tod mit nach Südgallien gebracht, wohin sie während der Aufstände geflüchtet war. Sie bewahrte ihn lange Jahre in dem Kloster auf, das sie nach ihrer Ankunft gründete. Doch als jener Paulus begann, Jesus als Sohn Gottes darzustellen und immer mehr Anhänger gewann, hielten die Juden im Languedoc es für richtig, den Schädel in ihre Obhut zu nehmen. Als Beweis, dass Paulus nicht die Wahrheit sagte. Doch es war ihnen nicht möglich, ihn zu stoppen, ohne sich in unberechenbare Gefahr zu bringen. Also bewahrten sie den Jesus-Schädel als ihre wertvollste Sicherheit auf.“
„Das Fresko in der unterirdischen Kapelle.“
Der Abt nickte.
„Ja, diesen unterirdischen Tresor ließ ein Großmeister der Templer, Bernard de Blanchefort, von deutschen Bergleuten Jahrhunderte später eigens dafür anlegen. Auch er war Mitglied des Ordens von Sion. Jener Schatz – sowohl der Schädel als auch die Dokumente, die seine Echtheit bezeugen – wurden seitdem dort sicher verwahrt. Bis zu dem Tag, als das Verhängnis geschah.“
Der alte Mann schüttelte den Kopf und starrte minutenlang schweigend ins Leere. „Bis dahin wurde stets nur ein Sohn aus jeder Familie und jeder Generation in den Orden von Sion aufgenommen und in die Geheimnisse eingeweiht. Doch nur ein Sohn aus der Familie der Blancheforts – sie waren die Hüterfamilie – erfuhr das tatsächliche Versteck. Er gab es zu gegebener Zeit an seinen Sohn weiter. Der Letzte aus dem mächtigen Geschlecht der Blancheforts starb ohne männliche Nachkommen. Er gab das Geheimnis an seinen Schwiegersohn, Francois d’Hautpoul weiter, ebenfalls ein Mitglied des Ordens. Doch jener starb kinderlos an einem heimtückischen Fieber. Ihm blieb keine Zeit, einen geeigneten Nachfolger zu bestimmen. Und so sah er sich gezwungen, das Geheimnis auf dem Totenbett seiner Frau anzuvertrauen, Marie de Nègre, mit der Auflage, einen weiteren Hüter zu finden, der würdig sei. Doch der Dame muss nicht ganz klar gewesen sein, was er mit würdig meinte. Und so wandte sie sich erst auf dem Sterbebett an ihren Beichtvater, Abbé Antoine Bigou, und vertraute ihm das Familiengeheimnis sowie die entsprechenden Dokumente an. Am 17. Januar 1781 wurde Marie de Nègre auf dem kleinen Friedhof des Dorfesbeigesetzt. Wir alle wissen, dass Frankreich zu dieser Zeit von heftigen politischen Unruhen erfasst wurde. Die Französische Revolution kündigte sich an. Im Lauf der Zeit wurde die Lage für die Geistlichkeit immer schwieriger. Der Pfarrer fürchtete um sein Leben. Zehn Jahre nach dem Tode der Freifrau nahm er die Dokumente und den Schädel aus ihrem Versteck und verbarg sie heimlich in ihrem Grab. Unter dem Vorwand, eine Gedenkplatte auf ihrem Grab anzubringen. So gelang es ihm im Nachhinein, den Schatz in ihrem Sarg zu verstecken, ohne dass neugierige Fragen gestellt wurden, was er dort tat. Hinweise darauf hinterließ er für den Fall seines Todes in einem Pfeiler unter dem Altar der Dorfkirche sowie auf der Grabplatte. Wenig später sah er sich genötigt, nach Spanien zu fliehen. Frankreich sah er nie wieder. Allerdings weihte er den jungen Abbé Cauneille, der sich ebenfalls in Spanien im Exil befand, in das Geheimnis ein. Durch ihn erfuhren zwei weitere Geistliche, Cayron und Jean Vie, später Pfarrer in Rennes-les-Bains, davon. Bis zu diesem Zeitpunkt waren all jene so klug, darüber zu schweigen. Vielleicht hatten diese Priester aber auch nur allgemeine Kenntnisse von einem Schatz, wussten aber nicht, worum es sich handelte oder wo er genau zu finden war. Bis dahin war es dem Orden von Sion nicht gelungen, den neuen Aufenthaltsort des Schädels herauszufinden. Doch dann erfuhr ein weiterer Geistlicher davon. Abbé Berenger Saunière. Er war damals dreiunddreißig Jahre alt, hatte eine hervorragende Ausbildung genossen. Dieser Mann war der Ehrgeiz in Person. Dennoch bat er darum, als Pfarrer in Rennes-le-Château eingesetzt zu werden. Man gab seinem Wunsch statt, wenn man sich wohl auch wunderte, dass er mit einer so schlecht bezahlten Stellung zufrieden war. Es gelang ihm gemeinsam mit seinem väterlichen Freund, Abbé Boudet, die Dokumente zu finden, die Bigou in dem Pfeiler des Altars versteckt hatte. Doch erst, als er sich an den Linguisten Hoffet in Paris wandte, um diese Dokumente zu übersetzen, wurde der Orden von Sion darauf aufmerksam und konnte sich auf seine Spur setzen. Doch Saunière war ein
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