Lustvolles Erwachen
kann. Was war los?«
Ah, da war es. Dieses wunderbar einzigartige Erröten, von dem er wusste, dass es sich bis zu ihren Zehenspitzen erstreckte. Sie ließ den Kopf sinken und erschauerte. »Harps wird mir das nie verzeihen.«
»Ich weiß nicht«, entgegnete Harry, »für mich sieht es so aus, als hätte der Mann eine große Schusswunde in der Schulter.«
Grace funkelte ihn an. »Ich habe nicht auf seine Schulter gezielt.«
Diccan fühlte sich schlecht, als ihm klar wurde, wie sehr sie sich schämte. »Grace«, sagte er und zog sie an sich. »Uns geht es gut, und der Chirurg ist tot. Das ist alles, was zählt.«
Obwohl das so nicht stimmte. Aber er würde sich im Moment nicht um das andere Problem kümmern können. Glücklicherweise erschien im nächsten Augenblick der Rest der Hochzeitsgesellschaft, und er hatte sowieso nicht mehr die Zeit dazu.
Diccan wusste, dass er seinem Widersacher allein hätte gegenübertreten sollen. Doch er schien Grace nicht zurücklassen zu können. Ihm war nicht bewusst gewesen, dass sie ihm Ruhe gab und Kraft. Und die würde er für diese Unterredung brauchen. Er nahm Marcus mit und bat ihn, im Salon zu warten, denn er wusste, dass das Gespräch nicht gut enden würde.
Und so war es auch.
»Du hast versucht, meine Frau umbringen zu lassen«, sagte er unumwunden.
Sie befanden sich vierundzwanzig Meilen von Oak Grove entfernt in der Bibliothek von Moorhaven Castle, dem perfekten Ort für eine Aussprache mit der Familie. Dankenswerterweise hatte sein Cousin Edwin, der Duke of Livingston, Diccans Bedürfnis nach einer Unterredung und seine Bitte um Ungestörtheit nicht hinterfragt. Und im Zuge ihres fingierten Besuchs bei der Verwandtschaft waren Diccans Mutter und seine Schwestern gerade zufällig mit der Duchess unterwegs.
Die Bibliothek selbst schien den Grund für den Besuch noch zu unterstreichen. Wie ein Beleg männlicher Dominanz war der Raum mit Eichenholz vertäfelt und mit dicken Perserteppichen ausgelegt. Die Wände waren mit grünem Stoff bespannt, Polstermöbel vervollständigten das Bild. All das ergänzte die unschätzbare Sammlung von Büchern, die, soweit Diccan sich erinnern konnte, nie jemand gelesen hatte. Eine Demonstration von Macht, Reichtum und einem guten Erbe. Ein sehr passender Ort, um seinen Vater zu treffen.
Gelassen saß Diccans Vater in einem der braunen Ledersessel und reagierte auf die Anschuldigung, wie er es auch getan hätte, wenn ein Untergebener sein Wort angezweifelt hätte – er zog eine Augenbraue hoch. Er trug seinen Kragen, das kirchliche Kreuz und die Kette, als hätte er vor, zu einer wichtigen Zeremonie zu gehen. Grace saß auf einer Ledercouch. Sie war so still und reglos, dass man hätte meinen können, sie wäre in ihrem hübschen lachsfarbenen Kleid gar nicht da. Das ist eine ihrer Gaben, dachte Diccan. Manchmal meinte man, sie würde nicht einmal einen Abdruck auf der Couch hinterlassen; sie war da und doch nicht. Im Augenblick war er dankbar dafür. Er war dankbar für sie.
Diccan stand mitten im Zimmer. Sein gebrochener rechter Arm lag in einer Schlinge, sein Kopf schmerzte noch immer, und jeder Zentimeter seines Körpers protestierte gegen jegliche Art von Bewegung. Trotzdem hatte er dieses Treffen nicht so lange aufschieben wollen, bis es ihm besser ging. Er musste seinen Vater hier darauf ansprechen, wo sie ungestört waren.
»Sag mir, dass du nicht so ein Feigling bist, Bischof«, sagte er. Seine Stimme klang kälter als der Tod. »Sag mir, dass du keine Kampagne gestartet hast, um meinen guten Namen zu ruinieren und meine Frau einzuschüchtern.«
Der Bischof grinste höhnisch. »Dein guter Name? Du hast keinen guten Namen. Den Anspruch darauf hast du vor Jahren mit deinem ersten Duell verwirkt. Und inzwischen hast du wie viele Duelle ausgefochten? Vier? Und wie viele Geliebte gehabt? Es ist keine Überraschung, dass dir solche Verbrechen angelastet werden. Die Überraschung ist, dass es nicht schon viel früher passiert ist.«
Kein Leugnen. Kein wütender Protest, wie Diccan so etwas auch nur denken konnte.
»Wir konnten nicht daraus schlau werden«, sagte Diccan und warf Grace einen beruhigenden Blick zu. »Immerhin wurde Jack Gracechurch, als er die Verschwörung gegen die Krone aufgedeckt hat, wie ein Fuchs gehetzt. Als ich dann Beweise brachte, um seine Behauptung zu stützen, wurde ich … verheiratet. Danach wurde mir aufgetragen, mich wieder mit meiner ehemaligen Geliebten einzulassen, und meine Frau wurde
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