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Luther. Die Drohung

Luther. Die Drohung

Titel: Luther. Die Drohung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Cross
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sagte sie. »Fahren wir in die Antarktis. Man kann von
Südamerika oder Neuseeland aus hinfliegen. Ich glaube, es kostet gar nicht mal
so viel. Nicht wirklich. Zumindest verhältnismäßig.«
    »Kann man das wirklich?«
    »Anscheinend schon.«
    Er setzte sich auf, kratzte sich am Kopf, plötzlich angesteckt von
der Idee. »Neuseeland fand ich schon immer toll«, sagte er. »Keine Ahnung,
wieso.«
    »Auf meiner Liste steht die Türkei«, sagte sie. »Die Türkei ist
schön. Fahren wir in die Türkei.«
    »Ich bin kein Strandmensch.«
    Er mochte es nicht, in der Sonne zu sitzen, während andere Leute
danach spähten, was er las.
    »Du kannst im Hotel lesen«, sagte sie. »Wir könnten uns zum
Mittagessen wiedertreffen. Siesta halten. Miteinander schlafen. Am Abend ins
Theater.«
    »Du hast dir das schon ganz genau überlegt, stimmt’s?«
    »Jep. Wir müssen deinen Pass verlängern lassen.«
    »Echt?«
    »Er ist abgelaufen.«
    »Tatsächlich? Wann?«
    »Vor zweieinhalb Jahren.«
    Er rieb sich den Kopf. »Okay. Scheiß drauf. Machen wir’s.«
    Sie lachte und umarmte ihn und sie liebten sich, als wären sie schon
im Urlaub.
    Das war fast ein Jahr her.
    Jetzt steht er erschöpft in der Küche, kurz nach sechs Uhr
morgens, benommen vom Schlafmangel, und stellt zwei Schüsseln Müsli auf die
Frühstückstheke – ein Nachtimbiss für ihn, Frühstück für sie. Er sagt: »Ich
wollte sie heute fragen.«
    Er meint seine Vorgesetzte, Detective Superintendent Teller.
    Zoe formt mit den Fingern und dem Daumen einen Mund: bla bla bla.
Alles schon mal gehört.
    Luther nimmt eine Müslischüssel, kehrt ihr den Rücken zu, schaufelt
sich Cornflakes in den Mund. »Ian ist verletzt, weißt du.«
    Er lässt ihr einen Moment Zeit. Schämt sich.
    »O Gott«, sagt sie. »Schlimm?«
    »Nicht so schlimm. Ich hab ihn aus der Notaufnahme abgeholt und nach
Hause gefahren.«
    »Was ist passiert?«
    »Er wurde überfallen. Wir wissen nicht sicher, von wem. Aber sie
haben ihn ziemlich übel zusammengeschlagen. Uns fehlt also ein Detective.«
    »Okay«, sagt sie, erleichtert, dass es Ian gut geht. »Aber das heißt
nicht, dass du es ihr nicht sagen kannst, oder? Sie wird sowieso ein paar
Wochen Zeit brauchen, um eine Vertretung für dich zu organisieren. Das weißt
du. Dass Ian im Krankenhaus war, ist keine Entschuldigung.«
    »Nein, ist es nicht«, antwortet er. »Du hast recht.«
    »Also sagst du es ihr?«
    »Ja.«
    »Im Ernst«, bittet sie. »Sag es ihr.«
    Sie fleht ihn an. Aber es geht nicht um den Urlaub. Es geht um etwas
anderes.
    Manchmal hat Zoe Eingebungen, die sie für übersinnliche Visionen
hält. Oft kommt er darin vor. Vor zwei Nächten schrie sie im Schlaf auf.
»Markiert«, rief sie.
    Er wollte sie fragen, was das bedeute. Was war markiert? Was hatte
sie in jenem geheimnisvollen Moment hinter geschlossenen Lidern gesehen?
    Er sagt: »Ja. Ich frage sie. Versprochen.«
    »Denn sonst …, John«, droht sie. »Im Ernst.«
    »Denn sonst was?«
    »Du kannst nicht so weitermachen«, sagt sie. »Es geht einfach
nicht.«
    Er weiß, dass sie recht hat.
    Er schleppt sich gerade nach oben zur Dusche, als sein Handy
klingelt. Er schaut auf das Display: Teller, Rose.
    Er nimmt den Anruf entgegen, hört zu.
    Sagt ihr, er werde so schnell wie möglich da sein. Dann wäscht er
sich das Gesicht, putzt sich die Zähne, zieht ein sauberes Hemd an. Er küsst
seine Frau.
    »Ich frag sie heute«, sagt er und meint es ehrlich. »Ich frag sie
noch heute Morgen.«
    Dann fährt er los zum Tatort.
     

3
    Er muss etwas entfernt parken und zu Fuß zum Tatort gehen.
    Der Morgen ist feucht und kühl, er spürt ihn in den Knien. Er
glaubt, das kommt von all dem Bücken, all dem Ducken unter Türen und
Absperrband; ein halbes Leben hat er damit verbracht, sich in Räume
hineinzuzwängen, die viel zu eng für ihn sind.
    Die Sonne geht gerade auf, aber Beamte in Zivil und in Uniform
führen bereits eine Befragung der Nachbarschaft durch. Neugierige Anwohner
stehen blinzelnd in Eingangstüren, tragen Jogginghosen und Nachthemden. Einige
werden die Polizei hineinbitten, niemand wird etwas gehört oder gesehen haben.
Aber alle werden das Gefühl haben, etwas Finsterem und Unergründlichem
entkommen zu sein, etwas, das an ihnen vorbeigeglitten ist wie ein Hai auf
Beutezug.
    Das Haus ist von Absperrband umgeben. Zweieinhalb Stockwerke,
zweiflügelige viktorianische Doppelhaushälfte. Wahrscheinlich anderthalb
Millionen.
    Luther drängt sich zwischen den Schaulustigen

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