Luther. Die Drohung
im
bleichen Gras, hat dieses Gefühl.
Howie neigt den Kopf und sieht Luther auf seltsame Weise an. Sie hat
leichte Sommersprossen auf den Wangen, die sie jünger aussehen lassen, ihre
Augen sind grün.
Er blickt über ihre Schulter, und da steht Teller, die ihn auf
dieselbe Weise ansieht.
»Okay«, sagt er. »Schauen wir uns drinnen um.«
Howie sammelt sich, holt Luft, hält sie eine Sekunde lang an. Dann
führt sie Luther zurück über die Trittplatten, vorbei an den Beamten der
Spurensicherung und den uniformierten Polizisten ins Haus.
Es ist ein Haus der wohlhabenden Mittelklasse: Familienfotos, alte
Tische, Dielenboden, folkloristisch angehauchte Teppiche.
Es herrscht ein heißer, schwarzer Zoogestank, der nicht an diesen
hellen, sauberen Ort gehört.
Er geht die Treppe hinauf. Will nicht, lässt es sich aber nicht
anmerken. Schleppt sich den Flur entlang.
Er betritt das Schlafzimmer.
Es ist ein Schlachtfeld.
Tom Lambert liegt nackt auf der Seegrasmatte. Er wurde von der Kehle
bis zum Schambein aufgeschlitzt. Luthers Blick gleitet über ein Durcheinander
aus nassen Eingeweiden.
Mr Lamberts Augen sind offen. Seine toten Hände stecken in
forensischen Tüten. Der Penis und die Hoden wurden ihm abgeschnitten und in den
Mund gestopft.
Luther spürt, wie der Boden unter ihm schwankt. Er betrachtet die
Blutspritzer, den blutgetränkten Teppich.
Er steht mit gesenktem Kopf und den Händen in den Taschen da und
versucht Tom Lambert zu sehen, achtunddreißig, Jugendberater, Ehemann. Nicht
diese Masse von Grausamkeiten.
Ihm ist bewusst, dass Howie hinter ihm steht.
Er atmet langsam und tief ein, dann dreht er sich zum Bett um.
Darauf ausgebreitet liegt der Körper, der bis vor kurzem Sarah
Lambert war.
Mrs Lambert war in der Mitte des achten Monats schwanger. Es sieht
aus, als wäre sie geplatzt.
Er zwingt sich, hinzusehen.
Er will zurück in sein sauberes Zuhause, duschen und unter eine
frisch gewaschene Decke schlüpfen. Er will sich zusammenrollen und schlafen und
aufwachen und mit seiner Frau zusammen sein, in Jogginghose und T-Shirt
fernsehen, sich zärtlich über Politik zanken. Er will mit ihr schlafen. Er will
in einem sonnigen, ruhigen Zimmer sitzen und ein gutes Buch lesen.
Mrs Lambert trägt noch die Überreste eines Babydoll-Nachthemds,
wahrscheinlich das scherzhafte Geschenk einer jungen Kollegin. Es muss sich
über ihrem dicken Bauch lächerlich gespannt haben, der hohe Saum muss noch
höher gerutscht sein.
Sie hatte schöne Beine, auf denen sich schwangerschaftsbedingte
Krampfadern abzeichnen.
Luther stellt sich vor, wie Mr Lamberts Fingerspitzen den weichen,
braunen Streifen nachzeichnen, der von Mrs Lamberts Schamhaar über die
Halbkugel ihres Bauches bis zu ihrem hervorstehenden Nabel verlaufen war.
Er wendet sich ab von der Ungeheuerlichkeit auf dem Bett, vergräbt
die Hände tiefer in den Taschen. Ballt sie zu Fäusten.
Auf dem Boden nicht weit von seinen Füßen, markiert mit gelben
Beweisfähnchen, liegt Sarah Lamberts Plazenta. Er starrt darauf. »Was ist mit
dem Baby geschehen?«
»Das ist es ja, Chef«, antwortet Howie. »Wir wissen es nicht.«
»Ich ziehe Boss vor«, sagt er stirnrunzelnd, fast völlig
geistesabwesend. »Nennen Sie mich Boss.«
Er wendet sich von Howie weg und geht hinunter.
In der Küche fällt ihm ein Blatt auf, das aus einer Zeitschrift
herausgerissen und mit einem Magnet-Teddybären in Grenadier-Guards-Uniform an
den Kühlschrank gehängt worden war.
Zehn Fehler, die Sie davon abhalten, glücklich zu sein
1)
Wenn Sie etwas wirklich tun wollen, warten Sie nicht, »bis Sie Zeit haben«.
Wenn Sie warten, werden Sie sie nie haben!
2)
Wenn Sie unglücklich sind, ziehen Sie sich nicht zurück. Greifen Sie zum
Telefon!
3)
Warten Sie nicht darauf, dass etwas perfekt wird. Wenn Sie warten, bis Sie
schlank genug oder verheiratet genug sind, könnten Sie vielleicht ewig warten!
4)
Sie können andere nicht zwingen, glücklich zu sein.
5)
Aber Sie können ihnen dabei helfen.
Er starrt lange, lange auf diese Liste.
Die Tür zum Gärtchen hinter dem Haus ist offen, Kälte und Nässe
dringen herein.
Irgendwann geht er durch die Tür, zieht dabei den Kopf ein.
Teller ist draußen, sitzt auf der niedrigen Gartenmauer und nippt an
einem großen Pappbecher mit Kaffee. Sie sieht müde und abgespannt aus. Das
fahle Licht der Morgensonne scheint durch ihre Brille; er kann einen
Daumenabdruck auf einem der Gläser erkennen.
Sie trinkt den Kaffee aus
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