Lux Aeterna (German Edition)
klaren Gedanken.
„Weißt du, was ich nicht verstehe?“, fragte Rita eines Abends ihren Freund.
Jason sah auf. „Was?“
„Du musstest mehrere Menschen töten, um mich herauszubringen aus diesem Labor, und ich bin nicht zu einer Vampirin geworden.“
Jason überlegte kurz. „Stimmt, darauf habe ich in dem ganzen Trubel gar nicht mehr geachtet. Vielleicht hat dieses Buch aus Glasgow doch nicht recht. Oder…“ Er hielt inne. Irgendetwas irritierte ihn.
Rita ging zu ihm hinüber. „Was ist los, Jason?“
Der junge Mann atmete tief durch. „Ich weiß nicht … Ich glaube… Ich bin kein Vampir mehr.“ Rita machte große Augen. „Wie bitte?“
„Meine Eckzähne, sie sind weg! Ich glaube, ich bin wieder menschlich!“ Jason rannte ins Bad und betrachtete sich im Spiegel. Seine Gestalt besaß feste Umrisse. Er sah fast aus wie immer. Die leichten Schatten unter den großen, dunklen Augen waren verschwunden. Seine Gesichtsfarbe war die eines gesunden, jungen Mannes. Er öffnete den Mund betrachtete seine Zähne. Sie waren ebenmäßig, wie die eines Menschen. „Das glaube ich nicht…“ Er nahm eine Rasierklinge und schnitt sich leicht in die Hand. „Au, verdammt!“, fluchte er gleich darauf.
Er hatte zum ersten Mal nach so vielen Jahrzehnten wieder Schmerz gespürt und … es floss Blut – sein Blut.
Rita war ihrem Freund gefolgt und hatte die Szene mit Staunen beobachtet. „Wie konnte das geschehen?“, wollte sie wissen.
Jason schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht. Vielleicht weil ich nicht aus Blutgier getötet habe, sondern nur, um dich zu retten.“
„Eine selbstlose Tat“, murmelte Rite vor sich hin.
Unruhig lief Jason zurück ins Wohnzimmer. Seine Gedanken überschlugen sich. Immer noch erschüttert von dieser Erkenntnis setzte er sich auf das Sofa, den Kopf in beide Hände gestützt.
Rita nahm neben ihm Platz und legte den Arm um ihn.
„Weißt du, was das heißt, Rita?“, fragte er ohne aufzublicken. „Du bist immer noch unsterblich und ich bin ein Mensch. Damit ist unser Zusammensein genauso kompliziert geworden wie früher.“ Rita erstarrte.
* * *
In dieser Nacht fanden sie beide keinen Schlaf. Noch immer kreisten die Gedanken um ihre Zukunft durch ihre Köpfe. Was sollte Jason tun? Wieder zum Vampir werden? Er hatte gerade seine Seele vollständig zurückerhalten und seine Menschlichkeit wieder gefunden. Das war doch eine Gnade Gottes, oder? Sollte er aus Liebe all das wieder opfern? Er würde einen der alten Meister oder einen Grenzgänger-Vampir finden und sich ihm als Opfer anbieten müssen, in dem Wissen, dass er wiederum der Verdammnis preisgegeben würde! Wieder würde er seine Seele verlieren.
Wieder würde er keine Möglichkeit haben, zu Gott zurückzukehren.
„Was wird er tun?“, diesen Satz wiederholte Rita in Gedanken immer wieder.
Jason konnte ihre Gedanken nicht mehr lesen, dessen war sie sicher, sonst hätte er schon längst reagiert. Was sollte sie tun? Er würde an ihrer Seite altern und sterben. Sie würde allein in der Ewigkeit weiterleben müssen. Sie gehörte weder zu den Vampiren noch zu den Menschen! Sterben von eigener Hand bedeutete ebenfalls Verdammnis aus der Sicht der Kirche. Und galt das überhaupt für eine Unsterbliche? Mit einer normalen Waffe würde man sie nicht umbringen können.
Aber nur auf diese Weise könnte sie Jason vor dem Schicksal bewahren, erneut zum Vampir zu werden! Jetzt begriff Rita, wie sich Romeo und Julia gefühlt haben mussten, auch sie beide waren Liebende zwischen zwei Welten.
Duncan Philips hatte die Veränderung an Jason bemerkt, als die Gedankenverbindung abriss, doch er hatte keine Fragen gestellt. Bei seinem heutigen Besuch weihte das ungleiche Paar ihn in ihre Probleme ein, und er war mehr als verblüfft, als von dieser Entwicklung erfuhr.
„Jason, du hast etwas zurückerhalten, was du freiwillig damals nie aufgegeben hättest. Vergiss das nicht!“, sagte er jetzt.
Jason stimmte ihm da nicht zu. „Im Lazarett war ich mehr tot als lebendig. Polignac hat mir mit seinem Biss eine neue Existenz und eine Zukunft geschenkt.“
„Und wohin hat sie dich gebracht?“, fragte jetzt Rita. „Du bist zu einem Mörder geworden.“
„Sagen wir besser, zu einem Raubtier“, korrigierte Duncan. „Wie dem auch sei, es sieht für mich so aus, als wärt ihr beide einfach nicht vom Schicksal füreinander bestimmt“, fuhr er nachdenklich fort. „Du bist ein Mensch und sie ist unsterblich, aber
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