Lux Aeterna (German Edition)
keine von uns. Wo gehört Rita hin?“, fragte er in die kleine Runde.
Aber diese Frage konnte ihm keiner beantworten. Jeder hing seinen Gedanken nach, doch eine Lösung schien nicht in Sicht.
Von Duncan erfuhr auch Lioba Olsen in einem Telefonat, was Jason Dawn widerfahren war. Die junge Fotografin hatte ihn so lange mit Fragen nach Jason genervt, bis er schließlich mit der Sprache rausgerückt war. Zunächst wollte sie es nicht glauben, doch dann reifte ein Plan in ihrem hübschen Köpfchen. Sie liebte Jason, das war ihr mittlerweile klar geworden. Und sie wollte ihn wieder haben, wieder in ihrer Welt! Aber dazu musste sie einige Recherchen anstellen. Sie musste einen der alten Vampirfürsten finden, der ihn zurückverwandeln konnte. Und Lioba Olsen machte sich auf die Suche.
Währenddessen war die Stimmung in dem kleinen Haus in Altona nach wie vor niedergeschlagen. Rita und Jason gingen sich aus Weg. Sie sprachen kaum noch miteinander, obwohl sie nach wie vor große Zuneigung füreinander empfanden. Es war, als hätte sich ein unsichtbarer Graben zwischen ihnen aufgetan. Jasons menschliches Dasein forderte Schlaf, Nahrung und all die Dinge, auf die er fast ein Jahrhundert lang verzichtet hatte. Doch er wagte es nicht mehr, Rita anzurühren. Sie kam ihm wie ein unberührbares, fremdes Wesen vor. Und Rita litt darunter.
In dieser schwierigen Situation kam Jason Liobas Anruf aus Berlin gerade recht. Sie lud ihn ein, gemeinsam mit ihr einen Artikel für das Magazin zu schreiben, eine Biografie für einen berühmten Modemacher, für den auch Jason schon einmal tätig gewesen war. Er sagte zu. Diesmal hieß es, mit konventionellen Mitteln reisen, und er buchte spontan einen Flug nach Berlin. Rita schrieb er nur ein paar kurze Zeilen, die sie lesen würde, wenn sie aus dem Büro käme. Sie musste in ihrer neuen Identität wieder als Fremdsprachensekretärin arbeiten. Obwohl Kommissar Welsch sie nur mit größtem Bedauern gehen ließ. Doch es wäre einfach für Rita zu riskant gewesen, weiter im Polizeidienst zu bleiben.
Jason konnte nicht ahnen, dass seine Nachricht Rita nur in ihrem Entschluss bestärken würde. Ihre heile Welt war aus den Fugen geraten. Und das einzige, was sie noch tun konnte, war Jason freizugeben, für ein neues, menschliches Dasein, ohne eine Unsterbliche an seiner Seite, die ihn ständig an seine eigene Sterblichkeit erinnern würde.
Sie kannte dieses Gefühl nur allzu gut von damals – als sie sich hatte entscheiden müssen und Jason ihr diese Entscheidung abnehmen musste – aus gutem Grunde!
* * *
Lioba Olsen holte Jason am Flughafen ab. Sie hatte sich besonders hübsch für ihn gemacht. Neugierig betrachtete sie ihn bei der Ankunft. Auch als Mensch sah er gut aus. Sie umarmte ihn kurz wie einen guten Freund.
„Du siehst zum Anbeißen aus“, flüsterte sie dabei in sein Ohr.
Jason musste lächeln.
„Komm, ich habe eine Überraschung für dich!“ Lioba zerrte Jason fast zum Ausgang und zu ihrem Wagen. Ihre neue Wohnung war geräumiger als die alte in Hamburg und in den Farben schwarz und rot gehalten. „Ich erwarte noch Besuch heute Abend“, verkündete sie, als beide Jasons Gepäck in das Gästezimmer brachten.
„Warum machst du so ein Geheimnis aus allem?“, wollte er wissen, doch Lioba freute sich wie ein kleines Mädchen über einen Streich und legte nur den Finger vor den Mund.
Kurz nach Einbruch der Dunkelheit ging die Türglocke. Lioba öffnete und begrüßte einen offenkundig hochrangigen Gast. Jason konnte durch die geschlossene Wohnzimmertür ihren respektvollen Umgangston durchaus wahrnehmen, auch wenn er den Wortlaut nicht mehr hören konnte. Dazu waren seine menschlichen Ohren nicht mehr gut genug. Als die Tür sich öffnete, erschrak er jedoch. Vor ihm stand Alexej Iwanowitsch Koroljow, der alte russische Vampirmeister. Hinter dem massigen, mit einem Mantel aus Zobelpelz umhüllten Körper tauchte die zierliche Lioba auf. Jason erhob sich aus dem Sessel und neigte zur Begrüßung nur den Kopf.
Alexej reichte ihm hoheitsvoll die beringte Hand.
„Unsere kleine Freundin hier hat mir von deinem Dilemma berichtet“, sagte er mit einem harten, russischen Akzent in der Stimme.
Lioba stand strahlend wie ein Geburtstagskind neben dem Russen und schaute zu Jason hinüber als wollte sie sagen „Na, wie hab ich das gemacht?“ - aber Jason schwieg.
Der Russe nahm unaufgefordert Platz. Den Stock aus edlem Ebenholz mit dem goldenen Knauf
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