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Lux perpetua

Titel: Lux perpetua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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schändliche Dinge zu tun. Sich dazu bereit erklärte, um sie zu retten.
    Wozu sich Reynevan damals bereit erklärt hatte, erfuhr sie nicht.
    Herzog Johann hatte den Knechten befohlen, sie hinauszuführen. Sie hatte sich gewehrt, es half nichts, sie hatten sie in den
     Korridor gezogen. Ihr Kleid und ihre
chemise
waren bis zum Gürtel aufgerissen, die Brüste unverhüllt. Die Knechte ließen sich eine solche Gelegenheit nicht entgehen, das
     war klar. Kaum waren sie an einem entlegeneren Ort, als sie sie auch schon gegen die Wand pressten. Einer hielt ihr mit seiner
     stinkenden Hand den Mund zu, die übrigen befingerten sie lachend. Sie bebte vor Abscheu und zitterte am ganzen Leib. Ihnen
     gefiel das, und sie verdoppelten ihre Anstrengungen. Ihr Gelächter und ihre obszönen Kommentare riefen schließlich einen Höherrangigen
     auf den Plan, Hiebe prasselten auf die Knechte herab, Jutta hörte das Geräusch von schallenden Ohrfeigen und dumpfen Faustschlägen.
     Losgelassen, sank sie zu Boden und verlor das Bewusstsein.
    Sie erwachte in einem dunklen, leeren, nach saurem Wein stinkenden Keller. Sie drückte sich in eine Ecke, zog die Knie bis
     ans Kinn und umschloss sie fest mit den Armen. In dieser Position verharrte sie. Lange. Sehr lange.
    Als man sie aus dem Keller herausführte, schmerzten ihr alle Glieder und sie war steif und starr wie ein Toter mit
rigor mortis
. Sie wusste überhaupt nicht, was ihr geschah, und selbst die Angst konnte nicht durch die Wolke zu ihr durchdringen, die
     ihre Gedanken einhüllte und sie wie ein dicker Überzug aus etwas Weichem, Undurchdringlichem umgab.
    Plötzlich war da die frische Nachtluft, kalt, frostig sogar. Gleich, so schien es, würde sie sie zur Besinnung bringen, aber
     der Schein trog.
    Eine Peitsche knallte. Pferde wieherten. Die Welt begann zu erzittern.
     
    Als sie wieder zu sich kam, war es Tag. Ein frostiger, sonniger Tag. Der Hof einer Schenke oder eines Gehöfts, schnaubende
     Pferde werden gewechselt, aus deren Nüstern Dampf quillt. Krähen kreischen. Ein Hahn kräht.
    »Fräulein de Apolda.«
    Ein Mann, nicht sehr groß, mit flinken Augen. Ein ihr Unbekannter. Ein völlig Fremder.
    »Seid so gut und kleidet Euch um.« Ein merkwürdiger Akzent. »Ich bitte um Nachsicht, aber Ihr könnt Euch nicht in einem zerrissenen
     Gewand zeigen, das schickt sich nicht. Das ist despektierlich, noch dazu erregt es die Aufmerksamkeit aller. Zieht bitte diese
     Sachen hier an.«
    Ein Hahn kräht. Ein Hund bellt. Das vor den Wagen gespannte Pferd zieht an.
    »Hört Ihr mich? Könnt Ihr mich verstehen?«
     
    Eine Peitsche knallt, das Pferd wiehert. Der Wagen hüpft und rollt über den Boden. Die Kälte erfrischt. Die Gedanken werden
     klarer.
     
    »Fräulein de Apolda. Wir machen hier Rast. Bitte tut nichts
. . .
«
    Sie begann zu weinen. Sie heulte los. Sie beschmierte sich mit Rotz wie ein Kind, wie ein Kind verwischte sie mit zitternden
     Händen die Tränen auf ihrem Gesicht. Unter Tränen sah sie, wie er das Gesicht verzog. Er warf dem Knecht die Zügel zu, fasste
     sie bei der Schulter und führte sie auf das Gebäude zu. Er sagte etwas. Sie hörte nicht zu. Sie war damit beschäftigt, sich
     etwas auszudenken.
    Sie hieb ihm schnell mit dem Ellenbogen aufs Ohr, befreite sich aus seinem Griff und trat ihm heftig in den Schritt; als er
     sich krümmte, setzte sie mit einem Fußtritt gegen seinen Kopf nach. Der Knecht bekam die Faust aufs Auge, setzte sich hin
     und hielt sich das Gesicht. Mit vier Sprüngen hatte sie den Hof durchquert, mit einem wilden Stoß warf sie den anderen Knecht
     um, entriss ihm die Zügel, sprang in den Sattel und zwang das Pferd mit Tritten und Schlägen zum Angaloppieren. Die Hufe trommelten
     auf den Boden. Sie beugte den Kopf über die Mähne und flog wie ein Pfeil zum Tor. Ich bin entkommen, dachte sie, ich bin frei
. . .
    Er erwischte sie gleich hinter dem Tor; mit einem heftigen Ruck riss er sie aus dem Sattel. Sie wehrte sich, vergeblich, sein
     Griff war wie aus Eisen. Durch was für ein Wunder, dachte sie, ist er hierhergelangt?
    »Dieses Wunder nennt sich Translokation«, zischte er, während er ihr, sie umklammernd, fast die Schulter zerdrückte. »Die
     Fähigkeit, sich in andere Räume zu versetzen. Ich bin ein Magier. Das ist für dich wohl nichts Neues, dein Geliebter ist ja
     auch einer. Versuch nicht, dich loszureißen.«
    »Lass los
. . .
Das tut weh
. . .
«
    »Ich weiß. Mir hat es auch wehgetan, als du mich getreten

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