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Lux perpetua

Titel: Lux perpetua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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hast. Du hast mich überrascht. Meine Aufmerksamkeit eingeschläfert,
     indem du die Heulsuse gemimt hast. Das passiert nicht noch einmal. Es wird dir nicht gelingen, das zu wiederholen. Glaub mir
     und versuch es nie mehr.«
    Er riss sie hoch und schleuderte sie in die Arme der Knechte. Ohne allzu große Brutalität.
    »Ich habe dich aus den Fängen Herzog Johanns gerettet«, sagte er und wandte den Kopf ab, als wollte er ihr zeigen, von welch
     arroganter Gleichgültigkeit er sei. »Ich habe dich aus Münsterberg herausgeschmuggelt. Ich bringe dich an einen Ort, wo du
     eine Zeit lang vor der Welt verborgen bist. Frage mich nicht, mit welchem Recht ich das tue.«
    »Mit welchem Recht?«
    »Ich werde dich in deinem eigenen Interesse eine Zeit lang verstecken. Es ist sehr laut geworden um das Kloster von Weißkirchen,
     zu laut. Der Kult der Großen Mutter, die Schwesternschaft des Freien Geistes, waldensische Rituale, aradische Magie
. . .
Glaub mir, es ist besser, wenn du für einige Zeit verschwindest.«
    »Besser für wen?«
    Er antwortete nicht. Er winkte nur ab, drehte sich um und ging davon.
     
    Veronika gab nicht auf. Zur nächsten Unterhaltung kam es drei Tage später, am Sonntag. Als Jutta nach der Messe im
necessarium
auf dem Brett thronte, kam Veronika herein, zog ihren Habit hoch und setzte sich ohne Scheu auf das Loch daneben.
    »Werde nicht wütend«, sagte sie, einer Reaktion zuvorkommend. »Nimmst du es mir übel, dass ich den Kontakt zu dir suche? Zu
     wem sollte ich ihn denn sonst suchen? Zu diesen Idiotinnen von Konversen?«
    »Das ist peinlich.« Jutta sah sie nicht an, sondern blickte auf die Risse in der Wand. »Das ist wirklich peinlich.«
    » Pardieu
, Jutta, du und ich, wir sind aus demselben Holz. Wir stecken aus denselben Gründen hier fest, darauf verwette ich meinen
     Kopf. Dir geht es schlecht, weil du einsam bist, das sehe ich doch, und deshalb reagierst du so. Mir wird es in einem Monat
     genauso gehen. Lass uns doch einander helfen. Du mir, ich dir.«
    »Oh.«
    »Du mir, ich dir.« Veronika senkte die Stimme. »Denn ich
. . .
Jutta, dies ist mein drittes Kloster. Ich habe genug. Ich werde hier noch verrückt. Ich will abhauen. Und ich mache dir einen
     Vorschlag: Lass uns gemeinsam abhauen. Zu zweit.«
    Jutta blickte immer noch auf die Risse in der Wand. Aber ohne es zu merken, nickte sie.
     
    Veronikas Versuche waren von durchschlagendem Erfolg gekrönt, das musste man zugeben. Jutta hörte auf, bockig zu sein, nach
     vier Tagen saßen die Mädchen beim Deckchensticken nebeneinander, nach einer Woche waren sie schon recht vertraut miteinander,
     nach zwei Wochen kam es zu Geständnissen. Veronika hieß mit Familiennamen von Elsnitz, ihre Eltern hatten Güter in der Nähe
     von Halle. Das Dominikanerinnenkloster von Cronschwitz war für sie das dritte Kloster, zuvor war sie im Frauenstift in Gernrode
     und bei den Klarissen in Weißenfels festgehalten worden. Man hatte sie, wie sie behauptete, auf Wunsch ihrer Eltern isoliert,
     um sie für eine sündhafte Liebe zu bestrafen. Als Jutta sich schließlich entschloss, ihre eigene Geschichte zu erzählen, blieb
     Veronika vor Bewunderung der Mund offen stehen.
    »Heilige Veronika, liebe Namenspatronin!« Sie legte ihre Hände an ihre Wangen. »Das ist ja wie in einer Romanze! Verschwörungen
     und Spionage! Überfälle und Entführungen! Häresie und Magie! Herzöge, Räuber und Zauberer! Ist dein Liebster wirklich ein
     Hussit und ein Magier? Ach, ach
. . .
Na, dagegen sehe ich blass und alt aus, schlimmer als der Fisch von gestern zum Mittagessen! Mich, es ist nicht zu fassen,
     hat ein Dummkopf hierhergebracht, der vom Heiraten träumte!«
    »Das heißt?«
    »Der Sohn unserer Nachbarn, ein verarmter Verwandter. Ein entfernter Cousin. Wir haben uns getroffen und
. . .
Ich war entflammt, also
. . .
Du verstehst schon. Ein halbes Jahr ist uns die Zeit ganz angenehm vergangen, mal im Schober, mal im Pferdestall auf dem Dachboden,
     mal, wenn es sich ergab, im Ehebett meiner Eltern. Was mich betrifft, so gefiel mir diese Beschäftigung viel mehr als der
     Cousin. Ich hatte bereits über einen Wechsel des Objekts nachgedacht
. . .
Aber mein Cousin, der Dummkopf, hat überhaupt nicht begriffen, was Sache war, der dachte, es sei die große Liebe. Er ist zu
     meinen Eltern gerannt und hat um meine Hand angehalten. Da ist alles rausgekommen. Von Heirat konnte keine Rede sein, Vater
     undMutter hätten nicht mal einen Gedanken daran

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