Lux perpetua
Erklärung von dir, woher du gekommen bist, als wir uns am Eulenberg getroffen
haben, und was du dort getan hast. Ich frage dich nicht nach dem Streit mit den Waisen von Nachod und dem geheimnisvollen
Tod von Smil Půlpán. Ich frage dich nicht, obwohl ich es müsste. Also keine Widerrede. Du bleibst bei mir, und wir ziehen
nach Odrau. Alles klar?«
»Alles klar.«
»Also dann komm mir auch nicht mehr mit dem, was du musst.«
Stöhnend begann er sich das Hemd überzuziehen. Reynevan starrte seinen breiten Rücken an, die kahle Haut, rosig wie die eines
Kindes.
»Bruder Prokop?«
»Hä?«
»Du wirst dich vielleicht über meine Frage wundern, aber
. . .
Hast du in letzter Zeit
. . .
eine Wunde davongetragen? Durch eine Eisenspitze oder Klinge? Hast du dich vielleicht an einem eisernen Gegenstand verletzt?«
»Was geht dich denn das an? Ach, das muss wohl etwas mit Magie zu tun haben
. . .
Also, stell dir vor, das ist nicht der Fall. Ich war noch nie im Leben verwundet, ich hab’ nicht mal einen Kratzer abbekommen.
Fast alle von Tábor waren verwundet oder sind an ihren Wunden gestorben
. . .
Mikulaš ze Husa, Žižka, Hvězda, Švamberk, Kuneš ze Bělovice, Jaroslav von Bukowina
. . .
Ich hingegen, obwohl ich an so manchem Scharmützel teilgenommen habe, keinen Kratzer
. . .
Ich hatte ganz einfach Glück.«
»In der Tat. Glück, nichts weiter.«
Die Apotheke hatte überdauert; sie war dort, wo sie sein sollte, am Markt, gegenüber dem steinernen Pranger. Ingredienzien
für eine balsamische Salbe gegen die Lumbago fanden sich auch, zwar nicht sogleich, sondern erst nachdem Reynevan die
Visita Inferiora Terrae
genannt hatte, die Losung der alchemistischen Internationale, die auf der »Tabula smaragdina« basierte. Dadurch hatte sich
schließlich das Misstrauen des Apothekers verflüchtigt. Ein nicht geringes Verdienst gebührte auch Samson Honig, der plötzlich
zu sabbern begann und so tat, als müsste er sich übergeben. Der Apotheker gab ihnen eilends, wonach sie verlangten, nur damit
sie endlich gingen.
Auf dem Marktplatz wimmelte es nur so von Bewaffneten. Überall hörte man die polnische Sprache. In einer recht schlichten
Fassung, die sich hauptsächlich aus einfachen Wörtern und militärischen Befehlen zusammensetzte.
»Da bist du in was reingeraten«, stellte Scharley fest, während er die Haube des Glockenturms der Pfarrkirche anstarrte. »Prokop
hat dich in der Hand. Der gibt dich nicht mehr her, das ist schon mal sicher. Aber was er mit dir vorhat, istfraglich. Ich bezweifle sehr, dass es mit dem übereinstimmt, was du vorhast. Da bist du in was reingeraten. Und wir mit.«
»Du und Samson, ihr könnt immer noch nach Rapotín zurückkehren.«
»Können wir nicht«, Scharley tat so, als betrachtete er das Lammfleisch auf der Fleischbank, »selbst wenn wir wollten. Sie
folgen uns. Ich habe schon den Rattenschwanz entdeckt, den sie uns angehängt haben. Man würde sofort Alarm schlagen, sobald
wir auch nur versuchen sollten, uns auf eines der Stadttore zuzubewegen.«
»Keiner von uns hält Prokop für einen Dummkopf«, meinte Samson. »Sicherlich sind die Gerüchte über den Verdacht, der auf Reynevan
gefallen ist, schon bist zu ihm vorgedrungen.«
»Natürlich sind sie bis zu ihm vorgedrungen.« Reynevan rückte den Riemen des Beutels mit den Arzneimitteln auf seiner Schulter
zurecht. »Und jetzt lässt er uns beschatten. Schön, dann soll die Überwachung für uns von Vorteil sein. Ihr versucht in der
Zwischenzeit nicht, aus der Stadt zu fliehen, und ich begebe mich, dem Befehl Folge leistend, auf die Burg und mache mich
an die Behandlung.«
Burg Odrau verfügte über eine Badestube, eine moderne, steinerne, elegante Badestube. Aber Prokop war Traditionalist und Verfechter
des Einfachen. Er zog die alte Badestube, eine Holzbude unter den Weiden am Fluss, vor, in der das Wasser aus Bottichen direkt
auf die heißen Steine gegossen wurde und der rasch aufsteigende Dampf einem den Atem raubte. In so einer Bude saß man auf
Bänken aus grob gehobelten Brettern und wurde mit der Zeit so rot wie der Krebs im Sud. Man saß da, rieb sich den in Strömen
von der Stirn rinnenden Schweiß aus den Augen und beruhigte den vom Dampf gereizten Hals mit kaltem Bier.
Da saßen sie nun, nackt wie muselmanische Heilige, Wasser auf die zischenden Steine gießend, in Dampfwolken gehüllt, krebsrot
und mit schweißüberströmten Gesichtern. Prokopder Kahle,
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