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Lux perpetua

Titel: Lux perpetua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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entlanggelaufen war, und mit der Zeit hatte sich, wie sich zeigte,
     vieles verändert. In der Tat enthielt, wie er unterm Gehen feststellte, der Atem der großen Stadt nicht nur für Kundrie den
     Hauch der Freiheit. Nicht nur sie fühlte sich in Breslau wohl und frei, wie er bemerkte. Nicht nur ihr allein gefiel, wie
     er bemerkte, das großstädtische Nest.
    Ein am Tor überraschter Dsantyr hob seine längliche Schnauze, er begriff ganz eindeutig nicht, was für ein Wunder es dem Mauerläufer
     ermöglichte, ihn sehen zu können. Schließlich verbarg er sich im Dunkel, machte einen Buckel wie eine Katze und sträubte das
     Fell.
    Unter dem Abfluss der Regenrinne saßen ein paar Urkinen, zu flaumigen Bällen aufgeplustert, und leckten das kotige Pflaster
     ab. Krallenschurrend verschwand, flink wie eine Eidechse, ein Rapion im Dunkel. Ganz in der Nähe befand sich ein Weinlager;
     ein kahlköpfiger Gnom in einem Lederwams, der sich dort am Vorhängeschloss zu schaffen machte, hob nicht einmal den Kopf.
     Sein mit einem Brecheisen versehener Kumpan warf dem Mauerläufer einen bösen Blick zu und knurrte etwas, was ebenso gut ein
     Gruß wie ein Schimpfwort sein konnte.
    In einem zur Schmalen Gasse führenden Durchlass roch es ätzend nach Magie und Alchemie – also nach Ektoplasma, Salpeter, Vitriol,
     Alaun und Spiritus. Der Rinnstein phosphoreszierte deutlich, Esphilinen krochen darin herum, herbeigelockt durch die sublimierten
     Rückstände. Daneben strich unter den Laubengängen ein Garou herum, seine hochentwickelten Sinne hielten ihn jedoch von einem
     Angriff ab; er hatte die Aura des Mauerläufers rechtzeitig gewittert und wusste, dass es besser war, keinen Versuch zu starten.
     Ein paar Schritte weiter verhielt eine Lamia sich ähnlich. Die Vampirin wartete eigens so lange, bis der Mauerläufer näher
     kam, erst als sie sich vergewissert hatte, dass er sie tatsächlich sehen konnte, grüßte sie ihn mit einer Verbeugung, wickelte
     sich in ihren weiten Mantel und verschwand, grau vor dem Hintergrund der grauen Mauer.
    Zwischen den Strebepfeilern der Heilig-Geist-Kirche saß, stöhnend und sich das Bäuchlein haltend, ein Kludder. Auf dem Maßwerk
     und den Pinakeln der Kirche raschelten flügelschlagend Flattergeister. Gleich hinter dem Spital bemerkte der Mauerläufer eine
     glänzende, frische Blutspur auf den Steinen. Neugierig geworden – obwohl ihn die Sache im Grunde nichtsanging   –, schärfte er durch einen Zauberspruch seinen Blick und durchdrang so das Dunkel. Über einen blutigen Leichnam gebeugt, bleckte,
     durch den Mauerläufer aufgestört, eine Kalkabra ihre zwei Zoll langen Hauer, und die Haare stiegen ihr wie eine silberne Krone
     über den Kopf. Der Mauerläufer zuckte mit den Achseln und beschleunigte seinen Schritt. So wie früher war es, wie er bemerkte,
     auch heute noch gefährlich, durch das nächtliche Breslau zu wandern.
    Er folgte der Marktgasse und gelangte auf einen kleinen Platz am Brunnen. Und dort fielen sie ihn an. Von allen Seiten kommend.
     So gekleidet, dass sie fast unsichtbar waren. Für Menschen unglaublich schnell.
    Nur eine blitzschnelle Rückwärtsbewegung rettete ihm das Leben, erst im letzten Moment nahm er aus den Augenwinkeln das fahle
     Aufblitzen der gegen ihn gerichteten Klinge wahr. Er packte den Angreifer am Rockschoß, drehte den Mann um und schubste ihn
     dem zweiten Angreifer entgegen, direkt in dessen Schwertklinge.
    Er wandte sich um und spürte, wie der Stahl durch seine Haare fuhr. Er sprang nach hinten und sah, wie das Schwert eines weiteren
     Angreifers Funken aus dem Eisenzaun schlug. Er griff nach der Hand mit dem Schwert, packte sie, brachte so den Angreifer aus
     dem Gleichgewicht, zwang ihn in die Knie und drehte ihm mit einer einzigen raschen Bewegung beider Hände den Hals um. Ein
     weiterer Angreifer sprang auf ihn zu und stieß zu, der Mauerläufer wich der Klinge mit einer leichten, halbkreisförmigen Körperdrehung
     aus, packte ihn an Ellenbogen und Handgelenk und presste ihm so das Schwert aus der gebrochenen Hand. Der Angreifer heulte
     auf. Ihn als Schild vor sich herschiebend, stieß der Mauerläufer dem nächsten Angreifer das Schwert in den Bauch und sprang,
     ohne dessen Zu-Boden-Fallen abzuwarten, einem anderen entgegen. Als sie flohen, kam er zurück und schnitt dem mit der gebrochenen
     Hand mit einem scharfen Schnitt die Kehle durch.
    Drei lagen da, blieben noch drei.
    Ein leichenblasser Mond schielte hinter den Wolken

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