Lux perpetua
Gerüchte gehört und verdächtigst mich. Du willst mich auf
die Probe stellen. Du hast angeordnet, dass ich und meine Freunde überwacht werden. Und jetzt plötzlich diese Mission nach
Schlesien. Eine geheime Mission, oder etwa nicht, eine, die man nur den vertrauenswürdigsten und zuverlässigsten Leuten überträgt.
Hältst du mich denn für so jemanden? Ich denke, das tust du nicht. Und das verstehe ich auch. Aber warum du mich damit herausfordern
willst, das verstehe ich nicht, auch nicht wozu.«
Prokop schwieg lange.
»Pardus!«, donnerte er schließlich. »Bedřich! Ein Kruzifix! Aber schnell!«
»Bringt mir, verdammt noch mal, ein Kruzifix!«
Der Befehl wurde blitzschnell ausgeführt. Prokop hielt Reynevan das Kreuz hin
»Leg deine Hand darauf. Sieh mir in die Augen! Und sprich mir nach: Bei diesem heiligen Kreuz und den Leiden unseres Herrn
schwöre ich, dass ich als Gefangener von Johann von Münsterberg nichts verraten habe, nicht zum Bischof von Breslau übergelaufen
bin und auch nicht dem Bischof diene, um meine Brüder, die guten Böhmen, die Anhänger des Kelches, zugrunde zu richten und
sie durch niederträchtigen Verrat zu schwächen. Wenn ich lüge, soll ich krepieren, soll mich derSchlag treffen und die Hölle verschlingen, aber zuvor soll mich die harte Hand der revolutionären Gerechtigkeit ergreifen.
Amen.«
»
.
. .
Gefangener von Johann von Münsterberg nichts verraten habe
. . .
nicht dem Bischof diene
. . .
Amen.«
»So«, erklärte Prokop zufrieden. »Nun wäre das geklärt.«
»Vielleicht sollten wir sicherheitshalber noch ein Gottesurteil durchführen?« Bedřich wies mit einem bösen Lächeln auf die
heißen Steine. »Ein Gottesgericht halten, etwa durch eine Feuerprobe?«
»Das können wir gerne machen«, erklärte Prokop und sah ihm in die Augen. »Auf mein Zeichen hin werden sich Kläger und Angeklagter
auf die Steine setzen, beide gleichzeitig, mit nacktem Arsch. Wer es länger aushält, ist im Besitz der Wahrheit. Bist du bereit,
Bedřich? Ich gebe gleich das Zeichen.«
»Ich hab’ doch nur einen Scherz gemacht.«
»Ich auch. Freu dich.«
»Ein Kruzifix«, konstatierte Scharley und verzog das Gesicht, als hätte er Essig getrunken. »Jesus, was für ein trauriges
Jahrmarktspektakel. Ein naiver, primitiver Taschenspielertrick, bar jeden Geschmacks. Du hast diese Gaukelei doch wohl nicht
ernst genommen.«
»Ich habe es nicht ernst genommen. Aber das ist nicht von Belang, denn Prokop hat keineswegs gescherzt. Er will mich wahrhaftig
mit einer Mission nach Schlesien entsenden.«
»Hat er Einzelheiten genannt?«
»Nein. Er hat gesagt, er wird es tun, wenn die Zeit gekommen ist.«
Scharley versuchte erst gar nicht, die nebenan feiernden Polen zu übertönen, er stand auf und winkte heftig. Der Wirt sah
es, rief ein Mädchen herbei, das gleich darauf mit vollen Krügen herbeigeeilt kam.
»Also gehst du nach Schlesien«, er blies den Schaum weg, »wie du es wolltest. Und wir gehen mit dir, denn wir werdendich doch nicht allein lassen. Ha, wir werden uns entsprechend ausstaffieren müssen. Morgen gehe ich über den Markt, sehe
mir mal die aus Kleinpolen herübergeschmuggelten Waren an und mache ein paar Einkäufe
. . .
«
»Haben wir denn genug Geld dafür?«
»Keine Bange. Im Gegensatz zu dir achte ich sehr wohl darauf, dass meine Beteiligung an der hussitischen Revolution profitabel
ist. Wenn ich schon für die Sache des Kelches meine Haut zu Markte trage, dann halte ich mich dabei an das Prinzip
virtus post nummos.
Ha, da fällt mir etwas ein
. . .
«
»Ich höre.«
»Vielleicht ist diese geheime und geheimnisvolle Expedition nach Schlesien ein Glückslos? Vielleicht ist das der Treffer,
auf den wir gewartet haben?«
»Treffer?«
Scharley sah zu Samson hinüber. Samson hörte auf zu schnitzen, legte sein Stöckchen weg, seufzte und schüttelte den Kopf.
Der Demerit seufzte auch. Und schüttelte ebenfalls den Kopf.
»Horn gegenüber hast du dich vor kurzem mit einer Rede über den findigen Pragmatismus aufgespielt.« Er blickte Reynevan in
die Augen. »Du hast behauptet, dass dir die Euphorie vergangen, dass dein Eifer erloschen sei, dass du aufgehört hast, ein
naiver Idealist zu sein. Dass deine eigenen Interessen in der Hierarchie höher stehen als die anderer, das waren deine eigenen
Worte. Und nun ergibt sich die Gelegenheit, sie in die Tat umzusetzen.«
»Wie denn?«
»Denk doch mal nach.«
»Ich soll zum
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