Luzidzone: Projekt Alpha (German Edition)
hin und wieder meldete sich eine verschollene Bekannte bei ihm per Email, meistens jedoch nur, um in den einschlägigen Sozialnetzwerken ihre Freundesliste zu erweitern, damit er dann als ihr Aushängeschild fungieren sollte. Dieser ganze Wirbel um Facebook und der „Social Media“-Hype war ihm von Anfang an suspekt gewesen. Die alte Werbewelt versuchte, im Internet ihre „Like“-Buttons unter das Volk zu mischen, um künstlich in den Suchmaschinen Rankings nach oben zu wandern und nach dem überholten Bauernfänger-Prinzip das Geld aus den Taschen der Leute zu locken. Suchmaschinenoptimierung war das Zauberwort, um Traffic zu erhalten, und Traffic bedeutete Geld. So einfach schien man mit dem Internet Geld verdienen zu können, so dachte man es sich jedenfalls. Die großen Konzerne pumpten Millionensummen in diese sozialen Netzwerke, meistens jedoch ohne Erfolg. Weshalb sollte man auch ein Spülmittel eines Chemie-Riesen „liken“? Den großen Konzernen war der Fehler unterlaufen, ihre allmächtige Propagandamaschinerie, die sie über das Fernsehen, Radio und Zeitungen aufgebaut hatten, auf das Internet übertragen zu wollen. Dabei hatten sie jedoch vergessen, dass das Internet in beiden Richtungen funktioniert und nicht nur passive Konsumenten an den Bildschirmen sitzen. Die wenigsten Firmen schafften es, die Internetnutzer auf diese Weise für ihre Produkte zu gewinnen. Die riesigen, durch Informationsvorsprung, Macht und Geld aufgebauten Strukturen, bröckelten langsam, wurden faul und morsch. Einige Verlage hatten sich zum letzten mal aufgebäumt um per Gesetz ihre Inhalte im Internet zu Geld machen zu können. Dies war ein fataler Fehler, denn erstens glaubte man diesen von Lobbyisten geschmierten Schreiberlingen ohnehin ihre auf Baumleichen gedruckten Lügen nicht mehr, so dass die Kommentarfunktionen unter den Artikeln im Internet oft eingestellt werden mussten, weil die Nutzer diese Lügerei anprangerten und die Artikel der Lüge und Manipulation überführten, zum Beispiel über die angebliche Beliebtheit des staatlichen Führungspersonals. Das Internet sprach eine andere Sprache, eine raue und schmutzige, aber wahre Sprache. Journalisten und bezahlte Schlagzeilen-Macher waren daher dazu übergegangen, selbst Kommentare unter ihre eigenen Artikel zu schreiben, was jedoch selbst dem dümmsten Klick-Affen auffiel, denn die dabei genutzte Sprache entsprach nicht dem als normal betrachteten, vom Kulturzerfall zerfressenen Gestammel voller Rechtschreibfehler. Zweitens sahen sich die Zeitungsverlage mit ihren spärlichen Mitarbeitern einer geballten Macht an unbezahlten Internetredakteuren gegenüber, die ihr Geld selbstständig durch Werbeeinblendungen generierten oder aus Idealismus ihren Kampf gegen das System führten. Die Konzerne sahen sich einer Macht an informierten Menschen gegenüber, die nicht mehr in die Honigtöpfe fielen, die jahrzehntelang aufgestellt worden waren und immer so gut funktioniert hatten. Das Internet bot die Möglichkeit, dass jeder sich daran und darin zu schaffen machen konnte. Die Nutzer begannen damit, die großen Strukturen zu zerschlagen indem sie mit tausenden kleinen Nadelstichen große Konzerne mit ihren veralteten Strukturen zu Fall brachten. Das System war im Wandel begriffen. Das Großkapital suchte sich neue Betätigungsfelder in Kriegen und Spekulationen um Rohstoffe. Die Staatensysteme wurden künstlich am Leben gehalten durch nicht existierendes Geld, das die nächsten tausend Generationen hätten abbezahlen sollen. Der gigantische Schwindel basierte darauf, dass den Menschen ein Trugbild von Sicherheit vorgegaukelt wurde. Das System würde nicht mehr lange halten, selbst der größte Luftballon platzt irgendwann. Geld hat kein Gewissen und der Teufel scheißt immer auf den größten Haufen.
Er las die an ihn persönlich gerichtete Nachricht, obwohl er sich dazu umständlich in das soziale Netzwerk hineinklicken musste und bemerkte, dass er in den letzten zwei Wochen, in denen er das Netzwerk nicht besucht hatte, drei Geburtstage von „Freunden“, die er noch nie in seinem Leben gesehen hatte, verpasst hatte. Die neue Freundschaftsanfrage bestätigte er und las die Nachricht von Jasmin, einer Bekannten aus Mannheim, wo er vor einigen Jahren eine Zeit lang gelebt hatte. Sie schrieb, dass sie demnächst nach Berlin ziehen wolle und ob sie bei ihm übernachten könne, um von seiner Wohnung aus eine eigene Wohnung zu finden.
Er war heterosexuell veranlagt, und
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