Luzifers Hammer
auf jene Fluten treffen, die sich aus dem Tale des Ganges ergießen. Als sich die Wasser zurückziehen, ist der Heilige Ganges von Leichen verstopft.
Sie wateten durch den Schlamm und stiegen weiter bergan. Die Straße verlief über die Bergkuppe in einem Sattel nicht weit vom Gipfel, doch tief genug, so daß die Blitze über ihnen niedergingen.
An ihren Sohlen haftete dick der Straßenschlamm, und schon bald waren sie so schwer geworden, daß ihnen das Gehen schwer fiel. Sie fielen hin, rappelten sich wieder hoch, halfen einander, so gut es ging, kletterten über die Bergkuppe und an der anderen Seite wieder nach unten. Ihre Welt bestand nur noch aus einzelnen Schritten, es ging nur schrittweise voran, und da war kein Platz zum Ausruhen. Tim stellte sich die Stadt vor, die vor ihnen lag: intakt, mit Motels, mit Warmwasser, mit elektrischem Licht und mit einer Bar, an der Chivas Regal und Michelob angeboten wurden …
Sie kamen auf eine Teerstraße, und nun fiel ihnen das Gehen leichter.
»Wie spät ist es?« fragte Eileen.
Tim drückte den Knopf seiner Digitaluhr. »Es ist Mittag.«
»Es ist so finster …« Sie glitt auf feuchtem Laub aus und schlug auf die Teerstraße hin. Dort blieb sie liegen.
»Eileen …« Tim trat zu ihr, um ihr zu helfen.
Sie saß auf dem Pflaster und war offenbar nicht verletzt, aber sie machte keine Anstalten, um hochzukommen. Sie weinte leise vor sich hin.
»Du mußt versuchen, aufzustehen.«
»Warum?«
»Weil ich dich nicht weit tragen kann.«
Sie versuchte zu lächeln, doch dann bedeckte sie das Gesicht mit den Händen und saß da, zusammengesunken im strömenden Regen.
»Komm jetzt!« sagte Tim. »Es ist halb so schlimm. Wahrscheinlich ist hier oben alles in Ordnung. Die Nationalgarde wird ausgerückt sein, das Rote Kreuz, irgendwelche Notdienste.« Er spürte, wie alles verpuffte, während er all dies aufzählte: der Stoff, aus dem die Träume sind, aber er fuhr verzweifelt fort. »Wir werden ein Auto kaufen. Da gibt es eine Autohandlung. Wir werden einen Wagen mit Vierradantrieb kaufen und zum Observatorium hinauffahren, mit einem großen Beutel von Colonel Chicken zwischen den Sitzen. Willst du das alles besorgen?«
Sie schüttelte den Kopf, lachte komisch und blieb sitzen. Er beugte sich nieder und faßte sie um die Schultern. Sie wehrte sich nicht, aber sie kam ihm auch nicht entgegen. Tim hob sie hoch, legte den Arm unter ihre Kniekehlen und begann, die Teerstraße hinunterzugehen.
»Das ist Wahnsinn«, sagte Eileen.
»Sei doch still!«
»Ich kann laufen.«
»Gut.« Er stellte sie wieder auf die Füße. Sie stand, aber sie klammerte sich an ihn, den Kopf auf seiner Schulter.
Schließlich richtete sie sich auf. »Ich bin froh, daß ich dich gefunden habe. Gehen wir weiter.«
»Abzählen!« rief Gordie.
»Eins«, sagte Andy Randall. Die anderen riefen nacheinander: »Zwei.« »Drei.«
»Vier.« »Fünf«, sagte Bert Vance. Er hinkte etwas nach und blickte nervös auf, aber sein Vater hatte anscheinend nichts gemerkt. »Sechs.«
»Und ich«, sagte Gordie. »Okay, Andy, geh voran. Ich mache die Nachhut.«
Sie begannen den Pfad hinabzusteigen. Die Klippe war nicht ganz eine Meile weit entfernt, nicht mehr als 20 Minuten. Sie gingen um eine Biegung und hatten eine herrliche Aussicht nach Osten, über die Wipfel der Kiefern hinweg. Die Morgenluft war kristallklar und das Licht … einfach herrlich.
Gordie warf einen Blick auf die Uhr. Sie waren seit ungefähr 1o Minuten unterwegs.
Er war versucht, anzuhalten, um seine Schuhbänder festzuziehen. Was würde das ausmachen? Keiner würde Blasen an die Füße kriegen, zumindest nicht während der nächsten halben Meile, doch der Marsch, der Versuch, natürlich zu erscheinen, war schwerer als die Entscheidung.
Im Osten blitzte es glockenhell auf. Es war ein schimmerndes, kurzes Aufleuchten, zu kurz für einen Blitz, und das aus heiterem Himmel?
Den Eindruck, den die Erscheinung hinterließ, konnte man nicht einfach wegblinzeln.
»Was war das, Dad?« fragte Bert.
»Ich weiß nicht. Vielleicht ein Meteor? Anhalten und in Reihe angetreten. Es wird Zeit, nach euren Schuhen zu schauen.«
Sie legten ihre Rucksäcke ab und suchten sich einen Sitzplatz auf den Felsen. Das helle Bild war immer noch da, obwohl es allmählich verblaßte. Dann merkte Gordie, daß sich der Wind gelegt hatte. Im Wald war es totenstill.
Wieder ein heller Blitz, dann plötzliche Stille. Es war, als ob …
Die Schockwelle rollte
Weitere Kostenlose Bücher