Luzifers Hammer
Regen wird den Schnee schmelzen. Der Kern wird über die Ufer treten, und alle Straßen werden überflutet sein. Gordie Vance warf plötzlich den Kopf zurück und ließ ein Triumphgeheul los. Es war wie ein Schritt in ein neues Leben.
HEISSER DIENSTAG
DREI
Als Adam grub und Eva spann …
Kyrie Eleison!
Wo war denn da der Edelmann?
Kyrie Eleison!
Marschlied der Bauern während der Bauernkriege, 1525
Harvey Randall war eine Viertelstunde von zu Hause entfernt … noch fünfzehn Minuten bis Hammerfall.
Der Tag war zur Nacht geworden, und diese Nacht wurde von einem Feuerwerk erhellt. Wenn das Tageslicht dennoch durch die schwarze Wolkendecke brach, dann waren die Blitze nur noch greller. Berge leuchteten in blauweißem Licht auf und verschwanden; hier ein weißer Himmel über gezackten schwarzen Konturen, dort ein Blick in den Canyon zu seiner Linken, dann wieder Finsternis, die nur durch die Scheinwerfer der Autos erhellt wurde, dann schlug es in der Nähe ein, so daß Randall geblendet die Augen zukneifen mußte. Die Scheibenwischer liefen wie verrückt, doch der Regen fiel dichter, und er sah alles wie durch einen Schleier. Randall hatte die Fenster auf beiden Seiten heruntergekurbelt. Besser naß zu werden als blind zu sein. Es war Irrsinn, in so einem Wetter zu fahren, doch der Verkehr war immer noch sehr dicht. Vielleicht waren sie alle verrückt.
Durch das Rollen des Donners und den peitschenden Regen, der auf Metall trommelte, drang der Klang unzähliger Hupen. Die Autos wechselten die Spur, ohne Zeichen zu geben. Sie fuhren auf die Gegenfahrbahn und ordneten sich erst wieder ein, wenn ihnen Wagen mit aufgeblendeten Scheinwerfern entgegenkamen.
Randalls Wagen war für solche Manöver zu sperrig. An einer Stelle, wo ein Erdrutsch die halbe Straße blockiert und irgendein Angsthase angehalten hatte, um den Gegenverkehr durchzulassen, fuhr Randall über den Erdrutsch hinweg – es sah zwar gefährlich aus, aber er schaffte es trotzdem – dann überholte er den haltenden Wagen, zwängte sich in den Verkehr, drängte den Wagen ab, der die Kolonne anführte, bis dieser schließlich zurücksteckte.
Er sah nicht die Leute, die seinen Weg blockierten, er sah nur Hindernisse: glitschigen Schlamm, Risse in der Straßendecke, Autos. Er fragte sich, ob das Haus eingestürzt sei, und ob sich Lorette hatte retten können. Oder ob Loretta in panischer Angst ihm vielleicht mit dem Wagen entgegenfuhr. Sie würde allein nicht überleben, und sie würden sich niemals finden. Himmel noch mal, seit Hammerfall war fast eine Stunde vergangen!
Früher oder später würden die Plünderer auftauchen. Loretta wußte zwar, wo seine Waffe lag, aber würde sie sie benutzen?
Randall bog in die Fox Lane ein, wo das Wasser bis zu den Radkappen reichte, fuhr bis ans Ende und dann auf die Fernstraße.
Alle Häuser waren dunkel.
Die Garagentür wollte nicht aufgehen.
Aber die Haustür war sperrangelweit offen.
So bald würden die Plünderer nicht kommen, dachte Randall, und er versuchte, sich selbst davon zu überzeugen. Nur übungshalber nahm er die Taschenlampe und die Pistole, rollte sich aus dem Wagen, dann sofort wieder unters Auto und betrachtete die Lage von dort aus.
Das Haus schien verlassen, und der Regen klatschte in die Türöffnung.
Er rollte sich raus, machte einen Sprung und baute sich neben der Tür auf. Die Taschenlampe hatte er immer noch nicht benutzt. Dem ersten, der ihm begegnete, würde er direkt ins Gesicht leuchten. Wahrscheinlich würde es Loretta sein, die an die Tür kam, und wenn sie sein Gewehr hatte, so mußte er hinter der Treppe wegtauchen, denn sein Verhalten würde sie sicher veranlassen, sofort zu schießen. Er zog den Kopf ein und flitzte um die Tür herum. Nur die Blitze warfen sonderbare Schatten. Der Donner übertönte jedes andere Geräusch.
Harvey ließ das Licht der Taschenlampe aufflackern.
Der Anblick sprang ihn an, traf ihn mitten ins Gesicht. Loretta lag mit dem Gesicht nach oben am Boden. Gesicht und Rumpf waren eine einzige blutige, formlose Masse. Sie sah aus, als wäre sie von einer MG-Salve niedergemäht worden. Neben ihr lag Kipling, ein kopfloses Bündel aus Blut und Fell.
Harvey ging ins Haus und spürte seine Beine nicht. Er ging wie auf Stelzen, so hieß es wohl, im letzten Stadium der Erschöpfung kurz vor dem Zusammenbruch. Er kniete nieder, legte die Waffe aus der Hand – ohne daran zu denken, daß noch jemand im Haus sein könnte – und streckte die
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